Der rechtliche Diskriminierungsschutz bedarf der praktischen Umsetzung in der Rechtsprechung durch die Gerichte. In Fachdebatten wird immer wieder kritisiert, dass Richter*innen als Gruppe „soziodemografisch nicht über die Erfahrungsbreite der Bevölkerung verfügen“ (Susanne Baer, Bundesverfassungsrichterin) und dass eine grundlegende Sensibilität für die Themen Diskriminierung und Vielfalt kein fester Bestandteil der Aus- und Weiterbildung sind.
- Werden Sie Schritte ergreifen, um die Repräsentation gesellschaftlicher Vielfalt in der Richter*innenschaft zu vergrößern?
- Werden Sie die Auseinandersetzung mit den Themen Vielfalt, Diskriminierung und rechtlicher Diskriminierungsschutz als Bestandteil der Richter*innenaus- und -weiterbildung verankern?
CDU | SPD | GRÜNE | DIE LINKE | FDP | AfD | |
Bewertung insgesamt |
Zu Frage 1: In unserer Regierungsverantwortung hat die hessische Justiz immer aktiv im Sinne der Repräsentation gesellschaftlicher Vielfalt alle Menschen unabhängig von Geschlecht, kultureller und sozialer Herkunft, Alter, Religion, Weltanschauung, Behinderung oder sexueller Orientierung ausdrücklich aufgefordert, sich für den Richterdienst zu bewerben. Neben der Befähigung und dem Vorliegen der vorgegebenen Voraussetzungen für das Richteramt, wird jeweils auch die soziale Kompetenz der Bewerberinnen und Bewerber überprüft. Jede einzelne Einstellungsentscheidung wird durch den Richterwahlausschuss vorgenommen. Das Gremium ist breit zusammengesetzt, sodass diskriminierende Tendenzen ausgeschlossen sind. Aufgrund der vielfältigen und komplexen Rechtsgebiete ist es systemimmanent, dass Richterinnen und Richter sich in ihrem jeweiligen Fachgebiet stärker fortbilden, als in anderen. Daraus den allgemeinen Vorwurf – von dem aus der Fragestellung auch nicht klar ist, in welchem Zusammenhang erhoben wurde – abzuleiten, unsere hessischen Richterinnen und Richter würden „als Gruppe“ „soziodemografisch nicht über die Erfahrungsbreite der Bevölkerung verfügen“, können wir daher nicht nachvollziehen. Aus unserer Sicht versieht die hessische Justiz – hier schließen wir ausdrückliche andere Berufsgruppen wie bspw. Rechtspfleger, Amtsanwälte usw. mit ein – ihre Tätigkeit sehr verantwortungsbewusst und mit großem Engagement. Zu Frage 2: Aufgrund des Umfangs der Ausbildung mit dem Ziel der Befähigung als Richterin oder Richter tätig sein zu können, gibt der Gesetzgeber nur einen gewissen Rahmen vor, der zur Erfüllung der Voraussetzungen für die Befähigung für dieses Amt erforderlich ist. In der Fort- und Weiterbildung gibt es Angebote zu denen von Ihnen genannten Themenbereichen. Da die richterliche Unabhängigkeit – auch vor dem Hintergrund unserer Geschichte – einen ganz besonderen Stellenwert einnimmt, können die Fort- und Weiterbildungsangebote zu einem gewissen Teil nur freiwilliger Natur sein. |
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Wir streben eine Verbesserung der Fort- und Weiterbildung von Juristinnen und Juristen im Bereich Opferschutz an. Die SPD-Fraktion ist zu dieser Forderung bereits parlamentarisch tätig geworden Die Initiative wurde allerdings von schwarz-grün abgelehnt. |
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Wir setzen wir uns dafür ein, die Aus-, Fort- und Weiterbildung im öffentlichen Dienst durch Module der Antidiskriminierung zu verstärken, wo nicht bereits geschehen. |
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Die Vielfalt der Gesellschaft bildet sich in juristischen Berufen nicht ab. Juristinnen und Juristen sind eine relativ homogene Gruppe, zum Beispiel in Bezug auf die (soziale) Herkunft. Das Auseinanderfallen von gesellschaftlicher Vielfalt und unter Juristinnen und Juristen gegebener und sichtbarer Vielfalt ist problematisch. Studien zeigen, dass Verfahrensbeteiligte der Justiz mehr vertrauen, wenn sie „ihre Gruppe“ auch in der Justiz repräsentiert sehen, vor allem in Positionen mit Entscheidungsgewalt. Die Diskrepanz zwischen der Vielfalt der Gesellschaft und derjenigen in juristischen Institutionen muss aufgelöst werden. Auch die Richterschaft selbst anerkennt inzwischen die Bedeutung von Diversity-Kompetenz und den damit verbundenen dringenden Fortbildungsbedarf. So forderten der Deutsche Richterbund und die Neue Richtervereinigung gemeinsam mit dem Bundesverband der Übersetzer und Dolmetscher, dem Deutschen Anwaltverein und dem Deutschen Juristinnenbund, in der Bad Boller Erklärung zur interkulturellen Kompetenz in der deutschen Justiz, Diversity-Management in die Personalentwicklungsgrundsätze der Justiz aufzunehmen und interkulturelle Kompetenz verpflichtend in die juristische Aus- und Fortbildung einzubinden. |
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Die Auswahl von Richterinnen und Richtern in Hessen erfolgt zunächst durch eine Vorauswahl, die von den erbrachten Punktzahlen in der 1. und 2. Juristischen Staatsprüfung abhängt. Darauf basierend werden Bewerberinnen und Bewerber zu einem persönlichen Kennenlernen eingeladen, bei dem neben einem fachlichen Gespräch auch die Persönlichkeit der Bewerberin oder des Bewerbers eine große Rolle spielt. Hier kommt es vorrangig darauf an, dass sich die Bewerberin oder der Bewerber fachlich eignet und mit den Arbeitsbelastungen und den Herausforderungen, die mit einer Stelle im Bereich der Justiz einhergehen, umgehen können. Wir sind der Auffassung, dass durch dieses transparente und für jeden qualifizierten Bewerber offene Auswahlverfahren eine gesellschaftliche Vielfalt im Hinblick auf die Einstellung von Richterinnen und Richtern beim Land Hessen gewährleistet ist. |
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Die AfD hat unseren Fragenkatalog ebenfalls erhalten, sich aber gegen eine Teilnahme am Wahlkompass Antidiskriminierung entschieden. Die Begründung können Sie hier nachlesen. |