Aufarbeitung NSU in Hessen

Neben dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss wird der NSU Komplex auch außerparlamentarisch von einem Bündnis politischer Gruppen aufgearbeitet. Konkret wird hier in Hessen immer wieder darauf hingewiesen, dass Andreas Temme aus Nordhessen zum Kasseler Mordfall an Halit Yozgats eine Verbindung hatte. Dies wird bis heute weder strafrechtlich verfolgt noch politisch adressiert.

  1. Werden Sie sich für die Aufklärung einsetzen, welche Rolle Andreas Temme im Mordfall von Halit Yozgats hatte?
  2. Wie werden Sie sicherstellen, dass der NSU-Komplex weiter aufgearbeitet und ein öffentliches Bewusstsein gegen rechte Hetze geschaffen wird?

Die schreckliche NSU-Mordserie macht uns heute noch sehr betroffen. Den Hinterbliebenen des NSU-Terrors gilt unser tiefes Mitgefühl. Insbesondere denken wir dabei in Hessen an Halit Yozgat, der im Jahr 2006 in seinem Internetcafé in Kassel aus niederträchtigen und widerwärtigen Gründen erschossen wurde. So eine menschenverachtende Mordserie darf sich nicht wiederholen. Nach vier Jahren akribischer Aufklärungsarbeit (über 100 Zeugenvernehmungen, rund 2.000 Akten, rund 320 Stunden Ausschusssitzung) hat der NSU-Untersuchungsausschuss im August dieses Jahres einen ausgewogenen Abschlussbericht vorgelegt. Damit endet die umfangreichste Arbeit, die es jemals in einem hessischen Untersuchungsausschuss gegeben hat. Es wurden zahlreiche Zeugen von sämtlichen Sicherheitsbehörden, die an den Ermittlungen im Mordfall Yozgat beteiligt waren, aber auch viele weitere Zeugen ausführlich befragt. Dabei habe wir eine Vielzahl von Spuren und Ansätzen untersucht und sind auch den fernliegendsten Theorien nachgegangen, auch zu Herrn Temme. Damit sind wir unserem Untersuchungsauftrag umfassend nachgekommen und haben alles rechtsstaatlich Mögliche zur Aufklärung unternommen. Die dienstlichen Verfehlungen von Herrn Temme und seine Nichtmeldung als Zeuge haben wir im von uns getragenen Abschlussbericht deutlich kritisiert. In seinen umfangreichen und intensiven Vernehmungen bei den damaligen Ermittlungsgruppen, beim OLG München und vor den Untersuchungsausschüssen im Bundestag und im Hessischen Landtag konnte keinerlei Verbindung zu dem Mordfall Halit Yozgat oder dem NSU hergestellt werden. Auch die Ermittlungsakten liefern keinen entsprechenden Ansatz. Damit gilt der unserer Rechtsordnung immanente Grundsatz der Unschuldsvermutung auch für Herrn Temme. Dieser wichtige Grundsatz muss auch in Fällen einer solchen Mordserie und anderen abscheulichen Tötungs- oder Gewaltdelikten immer verteidigt werden, auch wenn dies bei manchen Straftaten schwer erträglich erscheint. Doch Diskriminierungstendenzen, denen Sie entgegen wirken, werden durch Staatsformen begünstigt, die gerade nicht solche hohe rechtsstaatliche Standards garantieren, wie es in unserem Land der Fall ist.

Zur Verhinderung solch abscheulicher Taten haben wir uns als Politik der Aufgabe gestellt und die Arbeit der Sicherheitsbehörden frühzeitig weiter verbessert. Mit Änderungen des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes haben wir ein stabiles Fundament für Hessens Sicherheitsarchitektur geschaffen. Das neue Verfassungsschutzgesetz stärkt unseren Nachrichtendienst, unsere Polizei mit neuen Befugnissen, wie der Möglichkeit von Online-Durchsuchungen sowie Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) und definiert gleichzeitig klare, rechtsstaatliche Grenzen. Zudem genießt die Bekämpfung des Rechtsextremismus – sowie jeder Form von Extremismus – durch Aufklärung, Prävention und Repression in Hessen hohe Priorität. Zur weiteren Optimierung der Sicherheitsbehörden haben wir 40 konstruktive Handlungsempfehlungen unterbreitet. Die akribische Aufklärungsarbeit, an der die CDU maßgeblich mitgewirkt hat, hat sich ausgezahlt. Das Vertrauen vieler Bürgerinnen und Bürger in den Rechtsstaat wurde gestärkt. Rassismus und Extremismus jeglicher Art haben in unserer Gesellschaft keinen Platz. Dafür werden wir in Hessen weiter entschieden kämpfen.

Die SPD-Landtagsfraktion hat im Rahmen des NSU-Untersuchungsaussschusses die Rolle von Andreas Temme mehrfach problematisiert und auch das Handeln de damaligen Innenministers Volker Bouffier hinterfragt, der verhindert hat, dass entsprechende Befragungen zeitnah vorgenommen werden konnten. Für uns ist die Aufarbeitung des NSU-Skandals weder mit dem Gerichtsurteil gegen Beate Zschäpe und andere noch mit dem Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses (UNA) im Hessischen Landtag zu Ende. Auf Initiative unserer Obfrau im UNA wurde ein Runder Tisch gegründet, an dem VertreterInnen von zivilgesellschaftlichen Organisationen, Wissenschaft, Medien und Politik über die Schlussfolgerungen aus der Ausschussarbeit diskutieren und Handlungsempfehlungen entwerfen. Wir wollen mehr über die Hintergründe der Taten des NSU erfahren und aus Fehlern der Vergangenheit lernen. Wir fordern eine stärkere Kontrolle des Verfassungsschutzes und einen höheren Stellenwert für die politische Bildung und zwar sowohl schulisch als auch außerschulisch.

Zur Frage, welche Rolle Andreas Temme hatte und zur Frage, welche Folgerungen aus der Aufklärung des NSU-Komplexes zu ziehen sind, verweisen wir auf den Inhalt des Abschlussberichts des Untersuchungsausschusses 19/2 des Hessischen Landtags (Drs. 19/6611).

DIE LINKE Fraktion im Hessischen Landtag hat sich frühzeitig und mit viel Aufwand für vollständige Aufklärung des NSU und einen hessischen
NSU-Ausschusses eingesetzt. Wir haben den ersten Einsetzungsantrag gestellt und wesentliche neue Erkenntnisse zu Tage gefördert. Dazu gehört, dass Andreas Temme den NSU-Mord bzw. die Leiche hat wahrnehmen müssen, dass er zuvor den Dienstauftrag hatte, Quellen über die Ceska-Mordserie zu befragen, dass er Kollegen, die Polizei und den Deutschen Bundestag offenkundig belogen hat, dass der hessische Verfassungsschutz die Strukturen rechter Gewalt vollkommen verharmlost, Hinweise über Waffen, Sprengstoff und Untergrundstrukturen „nicht bearbeitet“ und relevante Akten vernichtet und/oder „nicht mehr wiedergefunden“ hat. All das unter einem Innenminister Volker Bouffier, der seine schützende Hand sowohl über Temme wie auch den Geheimdienst gehalten und das Parlament und die Öffentlichkeit wissentlich belogen hat. All das, während
gegen die Opferfamilien monatelang ermittelt und sie zu Tätern gemacht wurden. Ein NSU-Geheimbericht wurde von uns teilweise veröffentlicht, ist aber in Gänze für 120 Jahre gesperrt! Dies und viele weitere Erkenntnisse legen wir in unserem Sondervotum nieder.
Leider ist es nicht gelungen, das Unterstützerumfeld des NSU oder den Mord aufzuklären – doch das liegt auch nicht in der Hand eines
Untersuchungsausschusses. Viele Erkenntnisse liegen noch im Dunkeln. Deshalb und weil ein neuer Rechtsruck neue rechte Gewalt entstehen lässt, ist eine ständige Auseinandersetzung und Kampf gegen rechts dauerhaft so wichtig.

Der Untersuchungsausschuss hat im August seien Abschlussbericht vorgelegt und darin sowohl Fehler benannt als auch Handlungsempfehlungen gegeben. Das politische Ziel muss sein, alles zu tun, damit sich eine solche abscheuliche Mordserie in Deutschland nicht wiederholen kann. Aus Sicht der Freien Demokraten ist mit Ende des Untersuchungsausschusses aber die Aufarbeitung der Verbrechen des NSU nicht abgeschlossen. Es bedarf auch weiterhin einer kritischen Auseinandersetzung mit rechtsextremistischen Netzwerken. Zudem muss auch nach dem Urteil des OLG München etwaigen neuen Hinweisen nachgegangen und konsequent strafrechtlich verfolgt werden. Wir setzten uns zudem für eine verbesserte parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes in Hessen ein und fordern weitere Befugnisse für die Parlamentarische Kontrollkommission, wie Zutrittsrecht zu Dienststellen und Anhörungsrecht der Mitarbeiter des Verfassungsschutzes. Die Regelungen zur Unterrichtungspflicht der Landesregierung gegenüber der Parlamentarischen Kontrollkommission sollen enger und klarer gefasst werden, damit ein Vorfall wie etwa bei A. Temme frühzeitig dem Parlament berichtet wird.

Die AfD hat unseren Fragenkatalog ebenfalls erhalten, sich aber gegen eine Teilnahme am Wahlkompass Antidiskriminierung entschieden. Die Begründung können Sie hier nachlesen.

Bewertung

So haben wir bewertet: Die Bewertung erfolgte auf einer fünfstufigen Skala mit Hilfe eine Smileysystems. Für die Gesamtbewertung ist es besonders wichtig, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen auch tatsächlich geeignet sind, um Diskriminierung entgegenzuwirken, daher ergibt sie sich aus dem gewichteten arithmetischen Mittel der drei Kriterien. 50 Prozent der Gesamtwertung wird dabei von der Effektivität der Maßnahme bestimmt, jeweils 25 Prozent von der Sensibilität für Problemlagen und von der Konkretion.

CDU SPD GRÜNE DIE LINKE FDP AfD
Sensibilität für Problemlage
Konkretion der Maßnahme
Effektivität der Maßnahme
Bewertung insgesamt
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