Kopftuchtragende Rechtsrefendarinnen

Das Land Hessen verbietet Rechtsreferendarinnen im Vorbereitungsdienst an Gerichten mit dem Verweis auf das staatliche Neutralitätsgebot das Tragen eines Kopftuches bei Tätigkeiten die „nach Außen“ gerichtet sind. Diese Praxis wird als einseitig und diskriminierend kritisiert. Das Tragen eines Kopftuches sei ein Glaubensgebot, das mit der Neutralität des Gerichtes und der Unabhängigkeit der Entscheidungsfindung nicht im Konflikt stehe.

Werden Sie diese diskriminierende Praxis beenden?

Die CDU hält das Kopftuchverbot für Referendarinnen für gerechtfertigt, weil nur dadurch die Neutralität des Rechtsstaats gewahrt werden kann. Eine diskriminierende Praxis gibt es in Hessen nicht. Eine Diskriminierung wäre nur gegeben, wenn diese Regelung ohne sachlichen Grund getroffen worden wäre oder aufgrund sachfremder Erwägungen erfolgen würde. Wie in vielen Bereichen unseres Rechtsstaats müssen auch hier verschiedene Rechte mit Verfassungsrang gegeneinander abgewogen werden. Auf der einen Seite steht die Religionsfreiheit. An dieser Stelle kann dahinstehen, ob das Kopftuch ein ausschließlich religiöse Zeichen ist oder, wie von vielen Frauenrechtlerinnen und auch Islamwissenschaftlerinnen und – wissenschaftlern bewertet, ein Symbol patriarchischer Strukturen, das über eine religiöse Auslegungen legitimiert wird. Denn auf der anderen Seite stehen wichtige Rechtsgüter wie die Neutralitätspflicht des Staates und auch die negative Religionsfreiheit gegenüber, die im hier beschriebenen Fall überwiegen. Der von Ihnen beschriebene Eingriff wird zudem auf ein Minimum begrenzt. So besteht ein Verbot zum Tragen des Kopftuchs nur in den seltenen Konstellationen, in denen die betroffene Referendarin als Vertreterin des Staates auftritt, beispielsweise beim Sitzungsdienst für die Staatsanwaltschaft oder im Rahmen einer durch sie durchgeführten Beweisaufnahme. Die entsprechende Regelung wurde vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof und vom Bundesverfassungsgericht überprüft. Nach Auffassung der Gerichte gilt das staatliche Neutralitätsgebot ausnahmslos auch für Rechtsreferendarinnen. Wenn also das höchste deutsche Gericht als Hüterin unserer Verfassung eine solche Entscheidung trifft, können wir nicht nachvollziehen, wie man von einer diskriminierenden Praxis sprechen kann.

Wie oben bereits mehrfach ausgeführt, werden wir alle hessischen Gesetze an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts anpassen.

Das Bundesverfassungsgericht hat im Fall der hessischen Rechtsreferendarin entschieden, dass das Tragen eines Kopftuchs im Gerichtssaal sowohl den Anspruch der Verfahrensbeteiligten auf Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Gerichts als auch deren negative Glaubensfreiheit beeinträchtigt. Es hat also das Recht, aus Glaubensgründen ein Kopftuch zu tragen, in diesem Fall als nachrangig gegenüber den verfassungsrechtlich geschützten Rechten anderer Personen angesehen. Es handelt sich bei dieser Entscheidung um das Ergebnis einer Abwägung gegenläufiger Verfassungsgüter durch das höchste deutsche Gericht. Von einer „diskriminierenden Praxis“ kann deshalb nicht gesprochen werden.

Der politische Streit um das Kopftuchverbot im Öffentlichen Dienst ist eine Schaufenster-Debatte: Es gab bisher lediglich zwei bekannte Fälle, in denen im Öffentlichen Dienst in Hessen ein Kopftuch getragen wurde. Dennoch war die Frage sofort Gegenstand von ministeriellen Verordnungen und Landtagsdebatten. Aktuell will die FDP ein Burka-Verbot im Schulgesetz verankern, obwohl noch nie in Hessen ein Mädchen vollverschleiert zum Unterricht erschienen ist. Als LINKE wollen wir einen säkularen, weltanschaulich neutralen Staat – auch in Bayern, wo nun per Dekret in allen öffentlichen Gebäuden Kreuze aufgehängt werden müssen. Diese Form des Religions- und Kulturkampfes lehnen wir ab. Entscheidend ist für uns nicht, was Menschen glauben oder auf dem Kopf tragen, sondern ihr Verhalten und was sie im Kopf haben. Es gibt aus unserer Sicht mangels Problem keinen Grund für ein Kopftuch- oder Burka-Verbot. Es ist schade, dass hierüber so viel und so erfolgreich anti-muslimische Stimmung gemacht wird.

Die Objektivität und die Unabhängigkeit sind wesentliche Eckpfeiler unserer Justiz. Um diese Eckpfeiler gegenüber allen Verfahrensbeteiligten zu wahren, fordern wir ein Verbot des offenen Zeigens religiöser Symbole aller Verfahrensbeteiligten vor Gericht. Um den Eindruck zu vermeiden, andere Aspekte als die objektive Betrachtung des Rechts könnten Einfluss auf die Rechtsfindung haben, lehnen wir daher Kopftücher auf der Richterbank ab – dies betrifft dann auch Rechtsreferendarinnen, die im Rahmen des Vorbereitungsdienstes auf der Richterbank sitzen oder die staatsanwaltliche Sitzungsvertretung wahrnehmen.

Die AfD hat unseren Fragenkatalog ebenfalls erhalten, sich aber gegen eine Teilnahme am Wahlkompass Antidiskriminierung entschieden. Die Begründung können Sie hier nachlesen.

Bewertung

So haben wir bewertet: Die Bewertung erfolgte auf einer fünfstufigen Skala mit Hilfe eine Smileysystems. Für die Gesamtbewertung ist es besonders wichtig, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen auch tatsächlich geeignet sind, um Diskriminierung entgegenzuwirken, daher ergibt sie sich aus dem gewichteten arithmetischen Mittel der drei Kriterien. 50 Prozent der Gesamtwertung wird dabei von der Effektivität der Maßnahme bestimmt, jeweils 25 Prozent von der Sensibilität für Problemlagen und von der Konkretion.

CDU SPD GRÜNE DIE LINKE FDP AfD
Sensibilität für Problemlage
Konkretion der Maßnahme
Effektivität der Maßnahme
Bewertung insgesamt
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