Bundestag 2021

Stärkung der rechtlichen Möglichkeiten von Antidiskriminierungsverbänden

Bisher sieht das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) keine Verbandsklage und keine Prozessstandschaft für Antidiskriminierungsverbände vor. Mit einer Verbandsklage könnten Antidiskriminierungsverbände in Fällen von struktureller Diskriminierung klagen, also in Fällen, in denen nicht nur Einzelpersonen betroffen sind. Eine Prozessstandschaft würde es ermöglichen, dass in einem Einzelfall nicht die betroffene Person klagen müsste, sondern Antidiskriminierungsverbände vor Gericht das Recht der diskriminierten Person im eigenen Namen geltend machen könnten.

  1. Werden Sie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) um ein Verbandsklagerecht und das rechtliche Mittel der Prozessstandschaft erweitern?
  2. Wie werden Sie den Antidiskriminierungsverbänden finanziell die rechtliche Vertretung und Begleitung von Betroffenen ermöglichen?
  1. CDU und CSU stehen der Verbandsklage in allen Lebensbereichen zurückhaltend gegenüber. Aus diesem Grund ist eine Erweiterung auf Verfahren aus dem AGG derzeit nicht vorgesehen. Eine Prozessstandschaft sieht das deutsche Recht nur in wenigen Ausnahmefällen vor. Ein Anwendungsfall wird im AGG nicht gesehen.
  2. Das deutsche Prozessrecht geht davon aus, dass die Kosten für die rechtliche Vertretung von der unterliegenden Partei zu tragen sind. Sollte sich ein Betroffener die Kosten eines Prozesses nicht leisten können, sieht das Zivilprozessrecht die Unterstützung durch Prozesskostenhilfe vor. Dadurch wird gewährleistet, dass alle Bürgerinnen und Bürger unabhängig von ihrem Vermögen und Einkommen einen Zugang zum Recht haben. Daneben stellen die Beratungsangebote von Verbänden jenseits rechtlicher Vertretung einen wichtigen Baustein zur Unterstützung Betroffener dar.
  1. Die SPD spricht sich für die Einführung eines Verbandsklagerechts im AGG aus. Die SPD ist offen für eine Erweiterung um das rechtliche Mittel der Prozessstandschaft für Verbände.
  2. Wir wollen auch in Zukunft, die wertvolle Arbeit der Antidiskriminierungsverbände auf allen Ebenen bestmöglich unterstützen.
  1. Diskriminierung ist nicht nur ein individuelles Problem, vielmehr gibt es in unserer Gesellschaft strukturelle Diskriminierung. Es ist klar, dass Opfer von Diskriminierung hohe emotionale Hürden überspringen müssen, bevor sie etwa ihre Arbeitgeber verklagen. Die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, fehlende Rechtsberatung oder die Prozesskosten sind nur einige der Gründe. Häufig fehlen aber schlicht die Daten und die Kenntnisse, um eine Diskriminierung im Sinne des AGG mit Indizien untermauern zu können. Deswegen ist es notwendig, dass auch die Antidiskriminierungsverbände grundsätzlich in die Lage versetzt werden, ohne die Verletzung eigener Rechte darlegen zu müssen, Klage zu erheben auf Feststellung, dass gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen wurde. Soweit eine betroffene Person selbst Klage erheben kann oder hätte erheben können, soll nach unserem Vorschlag die Verbandsklage nur zulässig sein, wenn der Antidiskriminierungsverband geltend macht, dass es sich bei der Maßnahme um einen Fall von allgemeiner Bedeutung handelt. Dies soll insbesondere der Fall sein, wenn eine Vielzahl gleich gelagerter Fälle vorliegt.
  2. Siehe die Antworten auf die Fragen 1 und 2., in denen wir unsere Vorhaben zur Unterstützung der Antidiskriminierungsverbände, zum Ausbau und zur Finanzierung des Beratungsnetzes sowie zur Einführung eines Demokratiefördergesetzes darlegen.
  1. Ja, wir streben sowohl ein Verbandsklagerecht im AGG an als auch ein Verbandsklagerecht für ein Entgelttransparenzgesetz, in welchem Frauen gegen ungleiche Bezahlung im Verband klagen können. Dieses Recht ist für uns ein wichtiger Faktor in der Umsetzung der von uns geforderten Novellierung des AGG. Ohne die Möglichkeit einer gemeinsamen Klage wird die Verantwortung auf einzelne Betroffene übertragen, die systemische Ungleichheit verschwindet so hinter Individualklagen und macht das eigentliche Problem wie Sexismus und Rassismus vor Gericht unsichtbar. Wir treten dem entgegen, denn die Rechtsprechung darf nicht die gesellschaftliche Wirklichkeit verkennen.
  2. Ein Verbandsklagerecht im AGG, wie von uns gefordert, müsste mit den entsprechenden Regelungen zur Kostentragung verbunden sein.
  1. Nach unserer Auffassung sollten in allen Rechtsgebieten die Betroffenen primär in die Lage versetzt werden, selbst ihre Ansprüche geltend zu machen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sieht bereits vor, dass Klagende in gerichtlichen Verhandlungen die Unterstützung durch Antidiskriminierungsverbände als Beistand in Anspruch nehmen können (vgl. § 23 AGG). Auch hier gilt es, die bestehenden Regelungen stets auf ihre Praxistauglichkeit zu überprüfen und etwaige Schutzlücken frühzeitig zu erkennen und zu schließen. Ein effektiver Zugang zum Recht muss – insbesondere für Betroffene selbst- stets sichergestellt sein.
  2. Wir Freie Demokraten setzen uns dafür ein, dass alle Menschen "Zugang zum Recht" erhalten. Daher setzen wir uns auch für Studien ein, die Lücken im effektiven Rechtsschutz identifizieren. Hierbei wollen wir auch ein besonderes Augenmerk auf Fälle der Diskriminierung legen. Uns ist bewusst, dass es in Bereichen wie dem Diskriminierungsrecht Grundsatzurteile, die erheblich zur Rechtsfortbildung beitragen, nicht geben würde, wenn die betroffenen Personen keine Unterstützung gehabt hätten. Daher werden wir auch die Rolle von Antidiskriminierungsverbänden in den Blick nehmen und mögliche finanzielle Schwierigkeiten bei der rechtlichen Begleitung von Betroffenen prüfen.
Bisher hat uns noch keine Antwort der Partei erreicht.