Bundestag 2021

Kein pauschales Verbot religiöser Bekleidung für Beamt:innen

Bisher gab es im Staatsdienst nur für wenige, eng definierte Bereiche ein Verbot religiöser Bekleidung. Das gerade verabschiedete Gesetz zur Regelung des Erscheinungsbildes von Beamt:innen könnte zur Grundlage für ein pauschales Verbot in allen Bereichen des öffentlichen Dienstes werden.

  1. Wie werden Sie sicherstellen, dass das Gesetz zur Regelung des Erscheinungsbildes von Beamt:innen nicht zu pauschalen Verboten religiöser Zeichen in den uniformierten Diensten, der Justiz, des Lehramts und der sonstigen Stellen des öffentlichen Dienstes führt?

Dem Vertrauen auf eine neutrale Amtsführung von Beamtinnen und Beamten kommt in unserem Gemeinwesen eine herausgehobene Bedeutung zu. Das Gesetz zur Regelung des Erscheinungsbildes von Beamtinnen und Beamten schafft eine vom Bundesverwaltungsgericht geforderte, hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage für Regelungen, wie Beamtinnen und Beamte sich in uniformierten Diensten zeigen dürfen. Entsprechende Regelungen müssen sich selbstverständlich auch künftig an die strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts halten, wonach eine Einschränkung oder Untersagung zum Beispiel von Merkmalen des Erscheinungsbildes, die religiös oder weltanschaulich konnotiert sind, nur unter engen Voraussetzungen zulässig ist.

Das Tragen eines Kopftuchs, Sikh-Turban und einer Kippa ist eine persönliche Entscheidung und als religiös Symbol als Teil der Glaubensfreiheit durch Artikel 4 des Grundgesetzes geschützt. Das AGG verbietet Diskriminierungen aufgrund der Religion oder Weltanschauung im Arbeitsleben: Arbeitgeber*innen dürfen weder bei der Bewerbung noch im Arbeitsalltag Personen wegen ihres Glaubens zu benachteiligen. Das gilt grundsätzlich auch für Beamt*innen. Allerdings stehen sie zum Staat in einem Sonderrechtsverhältnis: Sie repräsentieren den zur weltanschaulichen Neutralität verpflichteten öffentlichen Dienst. Infolgedessen können die Grundrechte von Beamtinnen eingeschränkt werden. Durch das Gesetz zur Regelung des Erscheinungsbildes von Beamt:innen wird keine Änderung der Rechtslage herbeigeführt. Entsprechende Regelungen müssen sich auch künftig an die strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts halten.

Wir GRÜNE sagen klar: Niemand darf Personen vorschreiben, was sie aus religiösen Gründen anzuziehen haben, noch sie zwingen, sich auszuziehen. Wir lehnen deshalb pauschale Kopftuchverbote ab. Gleiches gilt für Regelungen, die zu einem Kippa-Verbot führen würden. Pauschale Verbote sind auch nicht mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vereinbar. Sie stellen eine gravierende Einschränkung der grundrechtlich geschützten Religionsfreiheit dar. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung klar formuliert, dass begründet nachgewiesen werden muss, dass das Vertrauen in die neutrale Amtsführung beeinträchtigt wird. Dafür bräuchte es neben den weltanschaulichen/religiösen Kleidungsstücken weitere Umstände. Wir werden uns weiterhin für die politische Berücksichtigung dieser Rechtsprechung einsetzen.

Das Menschenrecht auf freie Religionsausübung schließt das Recht auf öffentliches Bekenntnis zu einer Religion ein. DIE LINKE verteidigt das Selbstbestimmungsrecht von muslimischen Frauen, spricht sich gegen ein Verbot religiös motivierter Bekleidung aus und lehnt eine Einschränkung von Beschäftigtenrechten auf dieser Grundlage ab. Das verabschiedete Gesetz bietet zunächst nur die Rechtsgrundlage für die letztlich entscheidenden Anordnungen durch die Dienstherren, also die jeweils zuständigen Ministerien bzw. Senatsverwaltungen. Wir werden aufmerksam beobachten, welche Maßnahmen in Bund und Ländern nun aufgrund des Gesetzes ergriffen werden. Ein pauschales Verbot wäre darauf aus unserer Sicht nicht zu stützen und damit rechtswidrig.

Unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung sichert in einem historisch selten erreichten Maß die freie und ungestörte Ausübung von Glaubens- und Gewissensfreiheit. Staat und Recht achten in Deutschland die Gewissensentscheidungen und die Glaubensausübung des Einzelnen. Gleichzeitig haben die Prinzipien demokratischer Ordnung, wie sie sich aus dem Grundgesetz und der von ihm geprägten Rechtsordnung ergeben, unbedingten Vorrang vor Machtansprüchen religiöser oder ideologischer Art. Vor diesem Hintergrund hat sich die Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag bei der Abstimmung über das Gesetz zur Regelung des Erscheinungsbilds von Beamtinnen und Beamten sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften (BT-Drucksache 19/26839) enthalten. Das Gesetz enthält zwar in Teilen gelungene Regelungen, beispielsweise wenn es um Tätowierungen geht. Die Auswirkungen auf andere Bereiche und insbesondere die Vermischung mit dem Thema „allgemeines Kopftuchverbot“ wurden jedoch kritisch bewertet. Eine Einschränkung der Religionsausübung – beispielsweise auch durch berufsrechtliche Vorgaben zum äußeren Erscheinungsbild – muss sich stets auch am Verfassungsrecht messen lassen und auch die strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigen.

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