Kein Verbot religiöser Zeichen für Schöff*innen

Schöff*innen repräsentieren (schon seit Jahrhunderten) in Gerichtsverfahren die Allgemeinheit. Sie stellen ein Bindeglied zwischen Staat und Bürger*innen dar, stärken die Transparenz des Rechtssystems und fördern so das Vertrauen der Bürger*innen in die Justiz. Einige Bundesländer haben in den letzten Jahren Schöff*innen vom Amt ausgeschlossen, wenn sie religiös konnotierte Bekleidung trugen. Argumentiert wird mit einem potentiellen Vertrauensverlust der Bürger*innen in die Justiz. Vor allem betroffen davon sind bekennende muslimische Frauen und jüdische Männer.

  1. Einige Bundesländer haben in den letzten Jahren per Gesetz Schöff*innen vom Amt ausgeschlossen, wenn sie religiös konnotierte Bekleidung trugen. Planen Sie dies auch für Sachsen?
  2. Falls nein, wie werden Sie deutlich machen, dass erkennbare Religiosität einer neutralen Amtsführung nicht widerspricht?
Logo der CDU

Zu 1) Schon jetzt legt die Sächsische Justiz Wert auf eine neutrale Ausübung des Schöffenamtes. So heißt es bspw. auf S. 4 des Merkblattes des „Richterlichen Ehrenamtes bei den Sächsischen Verwaltungsgerichten“: „Bei der Ausübung ihres Amtes werden ehrenamtliche Richter deshalb bestrebt sein, nicht als Vertreter einer politischen Richtung, einer Konfession oder einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe zu erscheinen und jeden Eindruck der Befangenheit, der Zu- oder Abneigung gegenüber den Beteiligten zu vermeiden.“ Wir halten eine solche Neutralität für sachgerecht. Die Frage eines Ausschlusses ist aber auch hier wiederum keine rein politische, sondern vor allem eine rechtliche Frage, da es um die Auflösung eines Spannungsverhältnisses zwischen verschiedenen Verfassungsgütern geht. Insoweit wird die Frage nach dem „Ob“ und dem „Wie“ einer gesetzlichen Regelung maßgeblich davon abhängen, wie sich das Bundesverfassungsgericht in der jüngst erhobenen Verfassungsbeschwerde zum Verbot einer kopftuchtragenden Schöffin äußert. Dies gilt es abzuwarten. Gleichwohl stehen wir auch hier einer Prüfung eines solchen Verbots offen gegenüber.

Zu 2) Auch hier wird die zu erwartende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Anhaltspunkte geben, wie die Religionsfreiheit und der Grundsatz der Neutralität des Staates bei Ausübung eines Schöffenamtes in Einklang zu bringen sind. Bis dahin bleiben wir dabei, dass alle ehrenamtlichen Richterinnen und Richter bei der Ausübung ihres Amtes bestrebt sein müssen, „nicht als Vertreter einer politischen Richtung, einer Konfession oder einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe zu erscheinen und jeden Eindruck der Befangenheit, der Zu- oder Abneigung gegenüber den Beteiligten zu vermeiden.“

Logo der SPD

Zu 1) Nein, die SPD Sachsen plant kein Gesetz, Schöff:innen vom Amt auszuschließen, wenn religiös konnotierte Bekleidung getragen wird.

Zu 2)  Für die SPD Sachsen ist Pluralität und Diversität in einer freien Gesellschaft eine Selbstverständlichkeit, an deren Entwicklung wir stetig arbeiten. Dazu gehört auch die freie Religionsausübung. Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass sich möglichst viele Demokrat:innen (mit oder ohne Religionszugehörigkeit) für ein Engagement als ehrenamtliche Richter:innen/ Schöff:innen bewerben und auch ausgewählt werden. So können Schöff:innen ihr Amt nämlich als Spiegel der Gesellschaft im Gerichtssaal gut erfüllen.

Logo von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zu 1) Nein, wir planen keinen pauschalen Ausschluss von Schöff*innen aufgrund religiös konnotierter Kleidung.

Zu 2) Wir BÜNDNISGRÜNE setzen uns für eine plurale Gesellschaft ein, in der alle Menschen ihre Religion frei ausüben können. Die Freiheit der Religionsausübung ist grundrechtlich geschützt und kein Anhaltspunkt, an der Neutralität einer Person zu zweifeln.

Logo der Partei DIE LINKE

Zu 1) Nein. Die Diskussionen um Verbote religiös konnotierter Kleidungs- und Schmuckstücke waren und sind insbesondere mit dem Kopftuch verknüpft. Neutralitätsgebote werden häufig vorgeschoben, um darunterliegende rassistische oder antimuslimische Ressentiments zu bedienen. Ein pauschales Verbot würde faktisch insbesondere muslimische Frauen betreffen und hätte damit diskriminierenden Charakter. Das Recht auf Nicht-Diskriminierung aus Art. 2 UN-KRK und Art. 3 Art. 3 GG wie auch der religionsverfassungsrechtliche Grundsatz der Gleichbehandlung von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften garantieren nicht nur einen Schutz vor formeller Diskriminierung, sondern auch einen Schutz vor faktischer Diskriminierung.

Zu 2 ) Die Anforderungen an die Ausübung einer Schöff*innentätigkeit sind klar formuliert und enthalten die Erwartung einer neutralen Amtsführung. Daher erwarten wir von allen Schöff*innen, dass sie ihr Amt entsprechend ausüben. Sollte das im Einzelfall – aus welchem Grund auch immer – nicht erfolgen, ist eine Einzelfallprüfung vorzunehmen und die Eignung dieser Person zu prüfen.

Logo BSW

Zu 1) Nein, wie in der ersten Frage erwähnt, planen wir hier aktuell keine Gesetzesänderung. Wie bereits unter Frage 1 erwähnt, hält das Bundesverfassungsgericht bspw. das Tragen eines Kopftuches nicht für statthaft, wenn im Bereich der Justiz hoheitliche Aufgaben wahrgenommen werden. Dies ist im Bereich der Justiz insbesondere im Gerichtssaal regelmäßig der Fall. Die derzeit in Sachsen maßgebliche Rechtsgrundlage für das Schöffenamt ist die VwV Schöffen- und Jugendschöffenamt vom 3. Januar 2023, welche in Punkt II.5. direkt auf § 32 GVG verweist. Insoweit dürfte die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes direkt Anwendung finden. Ob die Gesetze, welche Schöffen generell vom Amt ausschließen, als verfassungsgemäß angesehen werden können, wird sich zeigen.

Zu 2) Es ist nicht Aufgabe des Staates klar zu machen, dass erkennbare Religiosität zu einer neutralen Amtsführung führt, sondern es ist Aufgabe der einzelnen Personen neutral ihre Aufgabe auszuüben. Darüber hinaus haben die Landespartei bzw. auch die zukünftige Landtagsfraktion kein Mandat, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abzuändern.

Logo der FDP

Zu 1) und 2): Für uns Freie Demokraten ist das klare Bekenntnis zur Freiheitlich-demokratischen Grundordnung und zur damit einhergehende religiösen Neutralität der Amtsinhaber wichtig. Sie muss gewährleistet sein und gegenüber allen Bewerbern kritisch geprüft werden. Ob die Bekleidung eines Bewerbers dafür in die Bewertung einbezogen werden muss, hängt vom individuellen Fall ab. So sehen auch wir in der Verhüllung des Gesichts ein klares Ausschlusskriterium, während andere Ausstattungen eher einen geringen Einfluss hätten.