Berlin 2021

Zugang zur Gesundheitsversorgung für Menschen „ohne geregelten Aufenthaltsstatus“ sicherstellen

Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus haben keinen Zugang zu regulärer Gesundheitsversorgung, da ihnen beim Besuch einer Praxis oder Klinik, und der damit verbunden notwendigen Kostenübernahme durch das Sozialamt, eine Meldung bei der Ausländerbehörde droht. Diese kann eine Abschiebung veranlassen. Aus Angst davor suchen viele gar nicht erst die nötige medizinische Hilfe. Bei Menschen mit HIV ohne Aufenthaltsstatus führt diese Regelung beispielsweise dazu, dass sie zu spät mit einer Behandlung beginnen und häufiger an Aids erkranken – eine heute vermeidbare lebensbedrohliche Erkrankung. Darüber hinaus bleibt HIV ohne Medikation übertragbar.

  1. Werden Sie sicherstellen, dass Menschen ohne sicheren Aufenthaltsstatus uneingeschränkten Zugang zur Gesundheitsversorgung erhalten?
  2. Werden Sie die verpflichtende Übermittelung an die Ausländerbehörde nach § 87 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) abschaffen?

Die Clearingstelle leistet wertvolle Arbeit. Wir werden die Erfahrungen seit 2018 auswerten und sicherstellen, dass Unversicherte auch in Zukunft Rat und Auskunft über die medizinischen Versorgungsstrukturen in Berlin erhalten.

Wir wollen allen Berliner:innen den Zugang zur Gesundheitsversorgung ermöglichen – unabhängig vom Aufenthaltsstatus. Menschen ohne Krankenversicherungsschutz müssen leichteren Zugang zum Versorgungssystem erhalten. Dafür wollen wir die Berliner Clearingstelle verstetigen und ausbauen. Sie berät Menschen ohne Krankenversicherung und übernimmt Kosten für ärztlich verordnete medizinische Behandlungen, einschließlich Therapieleistungen.

In Berlin gibt es einen Zugang für Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus. So haben wir uns bereits in den Koalitionsverhandlungen 2016 für die Behandlung von (allen) Menschen ohne Krankenversicherung – u.a. für einen anonymen Krankenschein – eingesetzt. In den letzten Jahren haben wir sowohl eine Clearingstelle zur Beratung von Menschen ohne Krankenversicherung eingerichtet als auch den Notfallfonds zur Kostenübernahme von Behandlungen. Hier können sich Menschen – auf Wunsch anonym – beraten lassen. Für die Clearingstelle besteht Schweigepflicht und es droht keine Meldung an die Ausländerbehörde. Wir setzen uns dafür ein, den Notfallfonds so auszustatten, dass alle notwendigen Behandlungen finanziert werden können. Auf Bundesebene setzen wir uns für eine Reform ein, die grundlegende Besserungen bedeutet – etwa hinsichtlich sozial- oder aufenthaltsrechtlicher Aspekte. Die Abschaffung einer verpflichtenden Übermittlung an die Ausländerbehörde erachten wir für sinnvoll.

In dieser Legislatur hat sich DIE LINKE dafür eingesetzt, die Clearingstelle für nicht versicherte Menschen einzurichten und finanziell zu unterfüttern, um den Zugang dieser Menschen zu Gesundheitsleistungen zu erleichtern und zu verbessern. Nun gilt es, das Erreichte zu sichern und die Clearingstelle zu verstetigen und auszubauen. Der anonyme Krankenschein ist ein wichtiger Schritt und muss weitergeführt werden.

Nach Vorbild der NY City ID in New York oder der Zürich ID streben wir einen städtischen Ausweis für alle in Berlin wohnenden Menschen an. Damit erhalten alle den gleichen Zugang zu Bildung, Kultur, Gesundheitsversorgung, Nahverkehr und Wohnraum – unabhängig vom Aufenthaltsstatus und der Herkunft. Wir stehen für eine weltoffene und vielfältige Stadt und möchten die Lebenssituation und Teilhabe von Illegalisierten am Stadtleben verbessern. Dafür werden wir auch die mehrsprachige Beratung und Informationen für Menschen ohne Versicherungsschutz verbessern und sicherstellen.

Auf Bundesebene werden wir uns im Hinblick auf Menschen mit ungesichertem Aufenthaltsstatus für Legalisierungsprogramme einsetzen, um auch dadurch deren Zugang insbesondere zu Gesundheitsleistungen zu verbessern.

Auch wenn Personen ohne Aufenthaltsstatus nach dem Asylbewerberleistungsgesetz einen Rechtsanspruch auf Gesundheitsversorgung haben, zeigen Erfahrungen aus der Praxis, dass die Leistungen zumeist nicht in Anspruch genommen werden. In diesem Zusammenhang wird immer wieder die Meldepflicht der öffentlichen Stellen gem. § 87 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz genannt. Es spricht einiges dafür, die Übermittlungspflichten des Aufenthaltsgesetzes deutlich einzuschränken oder ganz abzuschaffen, so dass die Gesundheitsversorgung nicht nur theoretisch, sondern auch in der praktischen Umsetzung ohne Angst vor Aufdeckung für die Betroffenen möglich ist.

Der „Nothelferparagraph“ (Paragraph 6a Asylbewerberleistungsgesetz) soll die Behandlung im Notfall auch für Menschen ohne Papiere und ungeklärtem Status sichern. Die Situation der Kranken ohne Kasse war wiederholt (zuletzt im Januar 2021) Gegenstand parlamentarischer Anfragen der FDP im Deutschen Bundestag. Die Abschaffung der verpflichtenden Meldung an die Ausländerbehörde betrifft den Kompetenzbereich des Gesetzgebers aus Bundesebene. Schon vor dort zu erwägenden gesetzlichen Initiativen, ist zu prüfen, wie vorhandene Programme für die Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Krankenversicherung (Clearingstelle für nicht krankenversicherte Menschen) und ggf. die Vorgaben des Landes zur Umsetzung verbessert und kommuniziert werden können, damit Behandlungshemmnisse bei Menschen mit HIV, die keinen gesicherten Aufenthaltsstatus haben, entfallen. Für die FDP ist die behandel- aber nicht heilbare Erkrankung mit HIV einer der Gründe, die der Rückführung in einen Zielstaat entgegensteht, in dem die fehlende Behandlungsmöglichkeiten eine Gefahr für Leib und Leben der Menschen mit HIV bedeuten. Für uns Freie Demokraten ist das Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte unantastbar. Dazu gehört auch die politische Verfolgung aus religiösen Gründen oder aufgrund der sexuellen Identität. Zugleich brauchen besonders vulnerable Gruppen, zum Beispiel Verfolgte aus religiösen Gründen oder aufgrund sexueller Identität, sichere Verfahren und eine sichere Unterbringung sowie im Fall sogenannter sicherer Herkunftsländer eine besondere Rechtsberatung, um Anträge form- und fristgerecht stellen zu können.

Von der AfD haben wir keine Antworten auf unsere Fragen erhalten.