Berlin 2021

Landesverwaltung als Diversity-Vorbild

Gelebte Antidiskriminierung und gesellschaftliche Vielfalt zeigt sich auch darin, dass alle einen gleichberechtigten Zugang zu Orten, Gütern und Dienstleistungen haben und dass sich die Bevölkerungsstruktur dort widerspiegelt. Als Arbeitgeberin stehen die Landes- und Bezirksverwaltungen sowie die Landesbetriebe in der Verantwortung, proaktiv darauf hinzuwirken. Das Partizipationsgesetz verpflichtet das Land Berlin, die Vielfalt der Berliner Bevölkerung in ihrer eigenen Personalstruktur abzubilden.

  1. Was sind die Eckpunkte Ihres Diversity-Mainstreaming-Konzeptes?
  2. Welche konkreten Schritte werden Sie in der Landes- und den Bezirksverwaltungen unternehmen?
  3. Wird Ihre Partei das Personalvertretungsgesetz dahingehend überarbeiten, dass für alle im Landesantidiskriminierungsgesetz genannten Diskriminierungskategorien Vertreter:innen an den Prozessen und Entscheidungen beteiligt werden, so wie es auf Basis von § 16 des Landesgleichstellungsgesetzes (LGG) in Form der Frauenvertreterin für die Kategorie Geschlecht(sidentität) der Fall ist?

Unsere wichtigsten Überlegungen zu notwendigen Verbesserungen der Berliner Verwaltungsstruktur sind im Berlin-Plan der Berliner CDU enthalten.

Im Sinne der vereinbarten Ziele und Grundsätze des Partizipations- und Migrationsgesetzes (PartMigG) sollen Personen mit Migrationsgeschichte und mit Migrationshintergrund sowie Personen, die rassistisch diskriminiert werden und Personen, denen nach eigenen Angaben ein Migrationshintergrund zugeschrieben wird, in den Verwaltungsstrukturen gefördert werden. Für offene Stellen und Ausbildungsplätze in der Berliner Verwaltung, in landesunmittelbar öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen sowie an juristischen Personen oder Personengesellschaften, an denen das Land Berlin unmittelbar oder mittelbar Mehrheitsbeteiligungen hat, gilt: Wenn Personen mit Migrationshintergrund unterrepräsentiert sind, müssen parallel zu den Regelungen in § 7 und § 8 des Landesgleichstellungsgesetzes offene Stellen und Ausbildungsplätze unter Wahrung der Einzelfallgerechtigkeit mindestens zu einem Anteil an Personen mit Migrationshintergrund vergeben werden, der ihrem Anteil an der Bevölkerung Berlins entspricht, sofern sie die geforderte Qualifikation für die Stelle besitzen und Bewerbungen von Personen mit Migrationshintergrund in ausreichender Zahl vorliegen. Der Erwerb von und die Weiterbildung in Diversity-Kompetenz sind für alle Beschäftigten durch Fortbildungsangebote und Qualifizierungsmaßnahmen sicherzustellen. Die Diversity-Kompetenz soll bei der Beurteilung der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung im Rahmen von Einstellungen und Aufstiegen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst grundsätzlich berücksichtigt werden. Es wird ein Landesbeirat für Partizipation in der Migrationsgesellschaft gebildet, der den Berliner Senat in allen Fragen der Partizipation und Teilhabe von Menschen mit Migrationsgeschichte berät und aktiv beteiligt. Zur Wahrnehmung dieser Aufgabe ist der Landesbeirat bei Vorhaben, Maßnahmen und Programmen des Senats frühzeitig zu beteiligen. Bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen an Unternehmen soll die interkulturelle Öffnung von Unternehmen als Kriterium für eine Vergabe berücksichtigt werden. Migrationsbeiräte in den Bezirken sollen vor der Einstellung von Integrationsbeauftragten und anderen bezirklichen Beauftragten verpflichtend angehört und aktiv beteiligt werden. Das Personalvertretungsgesetz soll so verändert werden, dass ein:e Diversitybeauftragte:r bei Personalentscheidungen mitentscheidet und im Sinne dieses Gesetzes agiert.

Diversität ist die Stärke und der Reichtum Berlins. Dafür wollen wir die gerechte Repräsentation von strukturell benachteiligten, insbesondere von rassistischen und antisemitischen Zuschreibungen betroffenen Gruppen entsprechend der UN-Antirassismuskonvention (ICERD), in der Verwaltung erreichen und konsequent die Repräsentation von Schwarzen Menschen und People of Color bzw. Menschen mit Rassismuserfahrung durch positive Maßnahmen und durch verbindliche Zielvorgaben, wie zum Beispiel eine Zielquote im öffentlichen Dienst, fördern. In dieser Wahlperiode haben BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Diversity-Landesprogramm vorangetrieben und implementiert, dessen Kern aus einem umfangreichen Paket aus Zielen und Maßnahmen zur Förderung von Vielfalt im Personalmanagement, in der Personalgewinnung und -auswahl sowie in der Öffentlichkeitsarbeit (Sprache und Bilder) der Verwaltung besteht. Dazu gehören diversitätssensible Auswahlverfahren, die Erhöhung der Diversity-Kompetenz der Dienstkräfte oder die Erhebung von Diskriminierungserfahrungen unter den Auszubildenden und Mitarbeitenden des Landes. Dieses Maßnahmenpaket wollen wir in den nächsten drei Jahren umsetzen, evaluieren, fortentwickeln und auf eine gesetzliche Grundlage stellen.

Wir begrüßen auch die in der Neufassung des Gesetzes zur Förderung der Partizipation in der Migrationsgesellschaft (PartMigG) festgeschriebenen Berichtspflichten und regelmäßigen Mitarbeiterbefragungen zu Migrationshintergrund und Diskriminierungserfahrung, die die Personalentwicklungen in den Berliner Verwaltungen nachvollziehbar machen und die Grundlage für die regelmäßigen Zielvereinbarungen auf allen Hierarchieebenen bilden. Wir stehen zwar der Kategorie „Migrationshintergrund“ (rassismus-)kritisch gegenüber, aber sind auf deren Verwendung derzeit leider wegen der Vergleichbarkeit mit der aktuellen statistischen Bezugsgröße angewiesen; dieser Begriff ist derzeit die einzige vom Mikrozensus statistisch erhobene Größe. Perspektivisch wollen wir, dass Gleichstellungsdaten von Menschen mit Rassismuserfahrung erfasst werden.

In allen Senats- und Bezirksverwaltungen müssen Diversity-Ansprechpersonen benannt werden. Die Ansprechpersonen sollen Diversity-Vorgänge in ihrer Verwaltung koordinieren, selbst anstoßen und begleiten. Langfristig soll ein Diversity-Netzwerk innerhalb der Berliner Verwaltung entstehen.

Wir setzen uns dafür ein, das Personalvertretungsgesetz dahingehend zu novellieren, dass es analog zur Frauenvertretung ebenso eine Vertretung von und für BPoC bzw. Menschen mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst gibt, um die Fördermaßnahmen und die Durchsetzung der verbindlichen Zielvereinbarungen zu überwachen. Wir fordern die ersatzlose Streichung des Begriffs „Integration“ aus dem neuen Gesetz zur Förderung der Partizipation in der Migrationsgesellschaft, der Menschen mit Rassismuserfahrung demütigt und nichts als eine leere Worthülse ist. Dabei machen wir uns eine intersektionale Perspektive zu eigen, das heißt: insbesondere auf die Förderung von Menschen zu achten, die in mehrfacher Hinsicht diskriminiert werden – beispielsweise durch Sexismus, Behindertenfeindlichkeit oder LSBTIQ*-Feindlichkeit.

Wir wollen, dass sich in unserer Stadt die Vielfalt der Gesellschaft auch im öffentlichen Dienst widerspiegelt und haben uns insbesondere für entsprechende Vorgaben im Rahmen der Reform des Berliner Partizipations- und Migrationsgesetzes eingesetzt.

Wir werden uns bei der Umsetzung dafür starkmachen, dass der Anteil der Menschen mit Migrationsgeschichte und Rassismuserfahrung in den Berliner Verwaltungen, Behörden und landeseigenen Unternehmen tatsächlich spürbar erhöht wird.

Wir streben zudem eine verbindliche Einstellungsquote an, die zu mehr Teilhabe und Repräsentanz entsprechend dem Anteil an der Berliner Bevölkerung führt. Für die Umsetzung der Quote und entsprechender Fördermaßnahmen sollen Beauftragte für Menschen mit Migrationsgeschichte sorgen, die mit denselben Rechten ausgestattet sind wie die Frauenvertretungen. Wir unterstützen in diesem Zusammenhang die Forderung nach einer entsprechenden Änderung des Berliner Personalvertretungsgesetzes.

Wir wollen den Anteil von Menschen mit Behinderungen in Ausbildungs- und Beschäftigungsverhältnissen in der Berliner Verwaltung deutlich erhöhen. Dafür müssen bestehende Zugangsbarrieren weiter abgebaut, mehr behindertengerechte Arbeitsplätze geschaffen und Dienstgebäude barrierefrei um- und ausgebaut sowie ein Mentalitätswandel in der Verwaltung herbeigeführt werden.

Frauen sind in dieser Gesellschaft nach wie vor strukturellen Diskriminierungen ausgesetzt. Das fängt mit der Diskriminierung bei Lohn und Gehalt an und hört noch lange nicht bei den schlechteren Chancen auf dem Arbeitsmarkt auf. Wir setzen uns für die Schließung der Einkommenslücke zwischen Männern und Frauen ein. Für den öffentlichen Dienst sowie für Unternehmen mit Landesbeteiligung werden wir den Gender Pay Gap abbauen.

Diversitätsmanagement muss eine Gesellschaft zusammenführen und nicht trennen. Vielfalt ist für uns ein Wert an sich, den es zu schützen gilt. Diversität braucht Atmosphäre, nicht nur Richtlinien. Sie braucht das klare Bekenntnis der Vorgesetzten zur Herausforderung Heterogenität zu managen und den Blick für die Intersektionalität der Problemlagen. Zertifizierungsprozesse können hier ein Instrument sein, wenn sie nicht als Abschreckung und Ermahnung, sondern als Ermunterung und Motivation vermittelt und gestaltet werden Berlin verfügt über starke Personalvertretungen. Diversität im umfassenden Sinn darf sich nicht auf eine Person im Prozess der Personalentwicklung beschränken. Sie muss von allen Beteiligten in ihrer Bedeutung gesehen werden. Mit Blick auf z.B. Auswahlprozesse zu Personalfragen scheint es fragwürdig, ob es im Interesse der Person im Vorstellungsgespräch sinnvoll ist, sich einem erweiterten Auswahlgremium ge-genüber zu sehen. Vielmehr wäre zu erörtern, ob die Antidiskriminierung nicht erfordert, die bisherige Frauenvertretung im Interesse einer intersektionalen Betrachtung zur Diversitätsrepräsentanz in einer Person zu entwickeln.

Von der AfD haben wir keine Antworten auf unsere Fragen erhalten.