Berlin 2021

Gewalt gegen Frauen: Transparenz der Datenlage und bedarfsgerechte Versorgung sicherstellen

Migrierte und geflüchtete Frauen sind wie alle anderen Frauen von Gewalt betroffen. Zusätzlich erschweren gesetzliche Bestimmungen wie die zum Aufenthaltsstatus oder das Asylrecht ihre persönliche und familiäre Situation. Im Alltag erleben diese Frauen nicht nur sexistische, sondern auch rassistische Gewalt. Aufgrund des strukturellen Rassismus und Sexismus in den verschiedenen Hilfestrukturen wird die besondere Vulnerabilität der Frauen verkannt. In Frauenhäusern gibt es für migrierte Frauen, insbesondere die mit Kindern, oft keine freien Plätze.

  1. Wie wird Ihre Partei Daten und Informationen zur Gewalt gegen migrierte Frauen zugänglich und transparent machen – auch mehrsprachig?
  2. Werden Sie eine bedarfsgerechte Aufstockung der Betten für alle Frauen in den Frauenhäusern vornehmen, auch für Frauen, die mehrere Kinder mitbringen?
  3. Werden Sie (Diversitäts-)sensibilisiertes und mehrsprachiges Personal in den Unterstützungsstrukturen für von Gewalt betroffenen Frauen zu einer verpflichtenden Auflage machen, beispielsweise in den Bereichen Kinder- und Erwachsenenpsychologie?

Insbesondere vor dem Hintergrund steigender Zahlen häuslicher Gewalt während der Corona-Pandemie fordern wir, die Frauenhäuser zu stärken, das Angebot an Frauenhausplätzen dauerhaft zu erhöhen und die Beratungsmöglichkeiten sicherzustellen. Die Anzahl der zu schaffenden Plätze soll auf der Grundlage der Vorgabe gemäß Istanbul-Konvention erfolgen. Dabei soll sowohl die Bereitstellung von barrierefreien Plätzen für Frauen mit Behinderung sowie Plätze für Frauen mit älteren Söhnen mitbedacht werden. Niedrigschwellige Angebote für Frauen und Mädchen müssen so ausgestaltet sein, dass diese auch an den Mut finden, sich dort zu melden. Das Thema Gewalt gegen Frauen muss dafür wieder stärker in den Fokus der Öffentlichkeit und auch der Politik treten. Notwendig sind auch mehrsprachige Informationsmaterialien, die gezielt auf Hilfsangebote und medizinische Versorgung aufmerksam machen. Ebenso sind die interkulturellen Kompetenzen der Fachkräfte im Gesundheitssystem weiter zu verbessern.

Der Aktionsplan zur Umsetzung der Istanbul-Konvention soll insbesondere überprüfen, inwieweit die Istanbul-Konvention neue Handlungspflichten in  Bezug  auf  Gewalt  gegen  Frauen  in den Bereichen Prävention, Aufklärung, Entschädigung, Beratung, Forschung oder Datenerhebung  generiert.  Die Ratifizierung  der  Istanbul-Konventionen  muss  den  Fokus  auf  besonders vulnerable  Personengruppen  (Menschen  mit  Behinderung,  Kinder  und Jugendliche,  Trans-Menschen  und  Intersexuelle,  Frauen  mit  Migrationshintergrund,  insbesondere  Frauen  mit Fluchterfahrungen, Wohnungslose sowie Suchtkranke) legen und alle in der Istanbul-Konvention benannten Formen der Gewalt berücksichtigen.

Die SPD Berlin ist weiterhin entschlossen, die Versorgungsstrukturen für Frauen in Not- und Krisensituationen deutlich auszubauen. Die Maßnahmen zur Verstärkung des Hilfesystems für gewaltbetroffene Frauen konnten in den letzten Jahren durchgehend aufgestockt werden. Auch wenn Berlin die Anforderung der Istanbul-Konvention bereits erfüllt, wollen wir die Anzahl der Gewaltschutzambulanzen und Frauenhäuser in Berlin dem Bedarf entsprechend weiter erhöhen. Uns ist wichtig, dass dabei die Barrierefreiheit berücksichtigt wird, damit alle Frauen gut versorgt werden können. Dies betrifft nicht nur Räumlichkeiten, sondern auch die Betreuung durch geschultes und mehrsprachiges Personal. Zudem werden wir die Gewaltschutzambulanzen weiter fördern und zusätzliche Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit bereitstellen, um sie bekannter zu machen. Die Vorstellung von Kindern vor den Gewaltschutzambulanzen wird ebenfalls vereinfacht. Betroffene von häuslicher Gewalt brauchen einen adäquaten Ersatzraum in Frauenhäusern oder in Zufluchtswohnungen für Frauen, damit ihr Schutz gewährleistet ist. Bis diese in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen, wird durch unter anderem die Anmietung von Hotelzimmern sichergestellt, dass jede Frau, die Schutz sucht, diesen auch bekommt. In Risikozeiträumen wie den Weihnachtsfeiertagen wollen wir durch solche temporären Anmietungen zusätzlich benötigte Kapazitäten bereitstellen. Im Jahr 2020 wurden insgesamt 89 reguläre zusätzliche Frauenhausplätze geschaffen, zudem wurden pandemiebedingt Notunterbringungsplätze für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder bereitgehalten. Für das Jahr 2021 ist die Eröffnung eines achten Frauenhauses geplant. Darüber hinaus hat das Land Berlin nach Beschluss des Abgeordnetenhauses im August 2020 eine Immobilie angekauft, die perspektivisch als Frauenhaus genutzt werden soll.

Es ist uns gelungen, in dieser Legislaturperiode ein siebtes und achtes Frauenhaus zu eröffnen. Die vorbereitenden Maßnahmen für ein neuntes Frauenhaus sind schon so weit gediehen, dass wir fest damit rechnen, dass dieses im Laufe des nächsten Jahres eröffnet werden kann. Die genannten Projekte sind mit mehrsprachigem, kultur- und diversitätssensiblem Personal besetzt.

Darüber hinaus gibt es aber noch andere, manchmal auch zweckmäßigere Möglichkeiten von Gewalt betroffenen Frauen eine sichere Unterkunft zu bieten. Auch diese Angebote, wie z. B. Frauenzufluchtswohnungen, 2.Stufe-Wohnen oder Housing First, werden wir ausbauen.

Es muss darüber hinaus zukünftig noch stärker in den Blick genommen werden, dass migrierte und geflüchtete Frauen mehrdimensionale Diskriminierungserfahrungen machen. Daher möchten wir Projekte und Frauenhäuser dabei unterstützen, ihre Mitarbeiter*innen diskriminierungskritisch weiterzubilden.

Schließlich werden wir auch in Zukunft auf bekannte Instrumente, wie z. B. den Genderdatenreport, den jährlichen Bericht zum gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm und weitere bereits existierende Daten- und Informationsportale, zurückgreifen, mit denen wir bisher gute Erfahrungen gemacht haben.

Zu 1.) Um den Zugang zu Informationen für alle Bevölkerungsgruppen zu erleichtern, teilen wir die Forderungen, Webseiten und Flyer zum Thema Gewalt mehrsprachig zur Verfügung zu stellen und das Informationsangebot auszubauen. Einige Webseiten der Berliner Frauenhäuser liegen momentan nur auf Englisch vor. In den Anti-Gewalt-Projekten ist das Angebot der mehrsprachigen Beratung jedoch weitreichender. Momentan existiert das Angebot für eine Beratung in den Sprachen Arabisch, Dari, Farsi, Kurdisch, Russisch und Türkisch. Informationsmaterialien für von Gewalt betroffene Frauen liegen in mehreren Sprachen vor. Der Informationsflyer „Ihr Recht bei häuslicher Gewalt“ liegt in aktuell siebzehn unterschiedlichen Sprachen abrufbereit auf der Internetseite bei BIG e.V. Auch der Flyer der BIG Hotline ist in 16 Sprachen übersetzt worden. Die in leichter Sprache vorliegende Broschüre „Häusliche Gewalt ist nie in Ordnung“ liegt in 6 Sprachen vor (alle hier genannten Materialien stehen unter https://www.big-berlin.info/infomaterial zum Download bereit, liegen aber auch in Printfassung vor).

Zu 2.) Während der Regierungszeit von DIE LINKE Berlin hat ein 50 %-iger Mittelaufwuchs im Antigewaltbereich des Frauenetats stattgefunden. Zwei Millionen Euro stehen für die Schaffung von weiteren Frauenhausplätzen, Ausbau von Zweite-Stufe-Wohnungen, Stärkung der Wohnungsvermittlung für wohnungslose Frauen sowie Fortführung der bestehenden Beratungs- und Hilfeangebote zuzüglich Mittel für Tarif- und Sachkostenversorgung zur Verfügung. Wir werden Frauenhausplätze entsprechend der Istanbul-Konvention  –  2,5 Schutzplätze je 10.000 Einwohner:innen – kontinuierlich ausbauen und vorhalten.

Zu 3.) Wir unterstützen die Forderung, dass die jeweiligen Teams im Anti-Gewalt-Bereich mehrsprachig und kulturell vielfältig sein müssen. Nach unserer Kenntnis versuchen die Träger und Projekte bereits im Einstellungsverfahren auf Diversität und Mehrsprachigkeit des zukünftigen Personals zu achten. Wir wissen um die Notwendigkeit, ergänzend zu den sprachlichen Kompetenzen der Mitarbeiterinnen, den Sprachmittlungspool, der bei BIG Hotline angesiedelt ist, auszubauen. Dafür werden wir uns einsetzen.

Die Zahl der Frauenhausplätze muss ausgeweitet und die Zahl der Frauenhäuser und Zufluchtswohnungen erhöht werden. Barrierefreiheit und Mutter-Kind-Plätze auch für ältere Söhne sind dabei zu berücksichtigen. Die Gewaltschutzambulanz muss langfristig finanziell abgesichert werden.
Wir setzen uns für regelfinanzierte Zentren der Präventionsarbeit gegen häusliche Gewalt ein. Dort sollen alle Angebote für Opfer sowie für Täterinnen und Täter unter einem Dach gebündelt werden. Die ganze Familie bekommt psychologische und sozialpädagogische Betreuung. Die Präventionsarbeit ist dabei ein wichtiger Bestandteil.
Als Querschnittsaufgabe muss Diversität auch in der Aus- und Weiterbildung für dieses Feld vermittelt werden. Im Wettbewerb um Fachkräfte sind dabei auch Wege zu erschließen, grundsätzlich geeignete Kräfte bei identifizierten Optimierungsbedürfnissen mit Blick auf das Profil einer Idealbesetzung nachzuqualifizieren.

Von der AfD haben wir keine Antworten auf unsere Fragen erhalten.