Berlin 2021

Diskriminierungsfreie und Vielfalt repräsentierende Lehr- und Lernmittel

Lehr- und Lernmittel sind immer noch sehr normativ. Die Geschichte und Lebensrealität von marginalisierten Gruppen werden wenig bis gar nicht beleuchtet und die Vorgaben bleiben oft vage, wenn es darum geht, Lernmittel mit diskriminierenden Inhalten umfänglich auszuschließen. Um eine ausgewogene und diskriminierungsfreie Auswahl zu gewährleisten, müssen die Perspektiven und Erfahrungen der von Diskriminierung betroffenen Gruppen berücksichtigt werden.

  1. Werden Sie ein ausdrückliches Diskriminierungsverbot für Lehr- und Lernmittel im Schulgesetz festschreiben?
  2. Wie werden Sie die Mitwirkung von gesellschaftlichen Gruppen, die Diskriminierung erfahren, bei der Zulassung von Lehrmitteln sicherstellen?

Wir sind offen für eine zielführende Weiterentwicklung von Lehr- und Lernmitteln im Sinne der genannten Anliegen.

Die Arbeit mit unseren Schüler:innen muss diskriminierungsfrei sein. Deshalb setzen wir uns für eine rassismus- und kolonialsensible Überarbeitung von Rahmenlehrplan, Schulcurricula und Lehr- und Lernmaterialien ein. Rassismuskritik muss als Mainstream des Curriculums aufgenommen werden. Soziale und kulturelle Diversität muss in den Rahmenlehrplänen stärker verankert werden. Der große Spielraum, den die Berliner Curricula bieten, muss diesbezüglich rassismuskritisch strukturiert werden. Die Arbeit mit unseren Schüler:innen muss diskriminierungsfrei sein. Deshalb setzen wir uns für eine rassismus- und kolonialsensible Überarbeitung von Rahmenlehrplan, Schulcurricula und Lehr- und Lernmaterialien ein. Die Vielfalt der in Berlin gesprochenen Sprachen ist ein hohes Gut und ein Sinnbild unserer Einwanderungsgesellschaft. Daher stärken wir weiterhin den staatlichen herkunftssprachlichen Unterricht und weiten das Sprachangebot aus. Darüber hinaus braucht es aus unserer Sicht lang angelegte, Studien, regelmäßige Stichproben und periodische Prüfungen von Schulbüchern aller Fachrichtungen unter Einbeziehung von migrantisch-diasporischen Selbstorganisationen und Wissenschaft für alle großen Diskriminierungsbereiche durchführen, um diskriminierende Muster aufzuweisen (bestenfalls bundeslandübergreifende Kooperationen) und die regelmäßige Veröffentlichung der Ergebnisse. Die Studien werden von einer unabhängigen Beschwerdestelle eingeführt.

Wir haben in der laufenden Wahlperiode ein Diskriminierungsverbot im Schulgesetz verankert. Zukünftig möchten wir sicherstellen, dass die diskriminierungskritische Expertise zivilgesellschaftlicher und wissenschaftlicher Akteur*innen bei der Erarbeitung von Lehrmaterialien und Unterrichtsplänen systematisch Eingang findet. Dies ist notwendig, um einen Unterricht zu etablieren und Lehrmaterialien zur Verfügung zu stellen, in denen unterschiedliche Familienformen und Lebenskonzepte gleichermaßen abgebildet und gewürdigt werden und in denen über alle Formen von Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Ableismus, Queerfeindlichkeit, Sexismus und die Stigmatisierung psychischer Krankheiten aufgeklärt wird. Im Lehrplan soll eine verbindliche, kritische Auseinandersetzung mit Kolonialismus und rassistischen und anderen diskriminierenden Stereotypen verpflichtend verankert werden. Sexuelle Bildung muss über biologische Aufklärung hinausgehen und gezielt auch weibliche Sexualität behandeln. Queere Sexualität und die Aufklärung aller Geschlechter zu Themen der Einvernehmlichkeit und Emanzipation müssen enttabuisiert und umfassend in den Unterricht integriert werden.

2018 hat die rot-rot-grüne Koalition den Anspruch auf diskriminierungsfreie Bildung im Schulgesetz gestärkt. In § 2 ist explizit ein Recht auf diskriminierungsfreie schulische Bildung und Erziehung festgeschrieben, „ungeachtet einer möglichen Behinderung, der ethnischen Herkunft, einer rassistischen Zuschreibung, des Geschlechts, der Geschlechtsidentität, der sexuellen Orientierung, des Glaubens, der religiösen oder politischen Anschauungen, der Sprache, der Nationalität, der sozialen und familiären Herkunft“. § 16 normiert zudem, dass Schulbücher und andere Unterrichtsmedien nur dann eingeführt werden dürfen, wenn sie „nicht ein geschlechts-, religions- oder rassendiskriminierendes Verständnis fördern“ oder dem in § 2 formulierten Recht auf diskriminierungsfreie Beschulung sowie den Bildungs- und Erziehungszielen in § 3 zuwiderlaufen.

Allerdings gibt es in Berlin anders als in anderen Bundesländern kein zentrales Zulassungsverfahren für Lehr- und Lernmittel. Schulen entscheiden im Rahmen der schulrechtlichen Vorgaben (§ 16 SchulG & Lernmittel-VO) eigenständig über deren Einführung – ein Prinzip, an dem wir festhalten wollen. Entsprechend wichtig ist es, durch Fort- und Weiterbildungen die Sensibilität für Diversität und Diskriminierung in den Kollegien zu erhöhen, um informierte Entscheidungen zu ermöglichen. An dieser Stelle kommen für uns zivilgesellschaftliche Akteur:innen ins Spiel: Im Rahmen von Kooperationen müssen ihre Erfahrungen Eingang in die Fort- und Weiterbildung finden.

Auf dem Bildungsserver Berlin-Brandenburg können Lehrkräfte zudem auf umfangreiche Materialien zu Vielfalt und Antidiskriminierung zugreifen: https://bildungsserver.berlin-brandenburg.de/themen/demokratiebildung-neu/themen/antidiskriminierung/. Angebote wie diese gilt es auszubauen.

Vielfalt sollte in Lehrmitteln (Schulbücher, Medien und Arbeitspapiere) dargestellt werden. Dies könnte dazu beitragen, dass Schülerinnen und Schüler Menschen unterschiedlicher (sozialer und ethnischer) Herkunft und geschlechtlicher Identität vorurteilsfrei begegnen sowie die Werte unterschiedlicher Kulturen kennenlernen und reflektieren. So wird die Resilienz aller Schüler trainiert, also die Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen und zu bewältigen. Das stärkt die psychische Kraft im Umgang mit menschlicher Vielfalt („Heterogenitätsmanagment“). Dies ermöglicht ein diskriminierungsfreies Zusammenleben. Diversitätsmerkmale sollen nicht pathologisiert werden. Die Rolle sozialer Medien als Multiplikationsplattform zur (Anti-)Diskriminierung aber auch als Kommunikationsmittel insgesamt muss im Unterricht verankert sein.

Wir setzen auf die Diversitätskompetenz der Macher und Nutzer von Lernmitteln. Wir wollen diese gerne mit den Interessengruppen stärken und aktivieren und im Einzelfall gegensteuern. Wir gehen davon aus, dass sich gesellschaftliche Gruppen aktiv am Monitoring von Lernmitteln beteiligen und sich ggf. bei Bildungs- und Buchmessen in den Austausch mit den Verlagen begeben. Das Berliner Schulgesetz gibt einen Werterahmen vor, der für die Lerninhalte verbindlich sein sollte.

Von der AfD haben wir keine Antworten auf unsere Fragen erhalten.