Offenes und förderndes Neutralitätsverständnis

Immer wieder werden unter dem Hinweis auf die „staatliche Neutralität“ Einschränkungen der Rechte religiöser Minderheiten gefordert oder umgesetzt. Neutralität ist aber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht als eine distanzierende Haltung zu verstehen, sondern als eine offene, allen Religionen und Weltanschauungen gegenüber gleichermaßen fördernde Haltung des Staates, bei der er sich mit keiner Religion oder Weltanschauung identifiziert oder sie privilegiert.

Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um das verfassungsgemäße Neutralitätsverständnis in der Gesellschaft zu verbreiten und in der Praxis zu erhalten und so der Fehldeutung, Neutralität sei nur bei der Abwesenheit alles Religiösen aus der staatlichen oder öffentlichen Sphäre gewährleistet, entgegenzutreten?

Die CDU hat auf unsere Fragen mit einer Stellungnahme geantwortet.

Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass es Programme zur Stärkung der Demokratie und zum Abbau demokratiefeindlicher Einstellungen gibt. Außerdem wollen wir die Angebote zur Weiterbildung ausbauen.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sehen Staat und Gesellschaft nicht als streng voneinander getrennte Sphären an. Der Staat soll vielmehr zivilgesellschaftliches Engagement auf allen Ebenen unterstützen, dazu zählt selbstverständlich auch die Arbeit von Religions- und Weltan­schauungsgemeinschaften. Die gesellschaftliche Vielfalt in Glaubens- und Weltanschauungs­fragen bildet sich im öffentlichen Diskurs wie in der staatlichen Praxis bislang oft nicht ausreichend ab. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen für die Neutralität des Staates gegenüber Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. Ein Zusammenwirken muss diskriminierungs­frei ausgestaltet und auf Gleichbehandlung ausgerichtet sein. Voraussetzung für eine Kooperation zwischen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften und dem Staat ist die Anerkennung der fundamentalen Verfassungsgüter, der Grundrechte Dritter sowie der Grund­prinzipien des freiheitlichen Religionsverfassungsrechts. Hierzu zählt auch die Ausübung des Religionsunterrichts an Schulen. Dieser wird selbstverständlich gemäß Art. 7 Abs. 3 GG und Art. 25 Abs. 1 Thür Verf weiter angeboten. Das in Thüringen bereits praktizierte Modellprojekt „Integrativer Religionsunterricht“ unterstützen wir als ein Zeichen für gelebte religiöse Vielfalt. Bestandteil des Religionsunterrichts sowie des Ethikunterrichts soll zukünftig ein Zeitfenster für gemeinsames Lernen sein, um für alle Schüler*innen die Möglichkeit zu eröffnen, gemeinsame kulturelle, religiöse und weltanschauliche Einstellungen zu erkunden und Unterschiede wahrzunehmen.

DIE LINKE setzt sich gleichermaßen für staatliche Neutralität und individuelle Religionsfreiheit ein. Im Thüringer Landtag haben wir Angriffe von Rechtsaußen auf das verfassungsgemäße Neutralitätsverständnis und die Religionsfreiheit immer wieder abgewehrt, wie etwa Versuche der AfD per Gesetz den in Thüringen lebenden Menschen Kleidervorschriften- und -verbote aufzuzwingen oder ihnen Gebetsräumlichkeiten streitig zu machen. Wir widersetzen uns aktiv Bestrebungen, den Grundgedanken einer freien Gesellschaft zu auszuhebeln und andere Menschen auszugrenzen und zu diskriminieren. Stattdessen werben wir für eine Gesellschaft der Vielfalt –auch der religiösen Vielfalt und fördern gesellschaftliches Engagement, in der Kirche gleichermaßen wie bei anderen sozialen und gesellschaftlichen Organisationen. Das Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit haben wir fortentwickelt und mit mehr Geldern ausgestattet, dieses werden wir weiter in Zukunft weiter absichern, um die Aufklärung und Toleranz zu steigern. Zudem wollen wir den Religionsunterricht als Wahlpflichtfach abschaffen und als freiwillige Ergänzung zur regulären Unterrichtszeit anbieten. Um den Staat zu befähigen, effektiver gegen den Hass auf Muslime und Juden vorzugehen, werden wir die Thüringer Polizei und die Staatsanwaltschaften weiter professionalisieren und zu aktuellen Erscheinungsformen von Islamfeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus Weiterbildungen durchführen.

Ein offenes und förderndes Neutralitätsverständnis des Staates ist für uns Grundvoraussetzung. Wir bekennen uns ausdrücklich zur positiven und negativen Religionsfreiheit. Dabei sind selbstverständlich alle Religionen gleich zu behandeln. Kopftuch- oder Kreuztrageverbote lehnen wir ab. Allerdings sind staatliche Einrichtungen zur Neutralität verpflichtet. Kreuze haben daher für uns, anders als beispielsweise in Bayern, in Amtsstuben keinen Platz. Auch sehen wir Volksabstimmungen über die Errichtung kirchlicher Einrichtungen kritisch.

Von der AfD haben wir keine Antworten auf unsere Fragen erhalten.

Bewertung

So haben wir bewertet: Die Bewertung erfolgte auf einer fünfstufigen Skala mit Hilfe eine Smileysystems. Für die Gesamtbewertung ist es besonders wichtig, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen auch tatsächlich geeignet sind, um Diskriminierung entgegenzuwirken, daher ergibt sie sich aus dem gewichteten arithmetischen Mittel der drei Kriterien. 50 Prozent der Gesamtwertung wird dabei von der Effektivität der Maßnahme bestimmt, jeweils 25 Prozent von der Sensibilität für Problemlagen und von der Konkretion.

CDU SPD GRÜNE DIE LINKE FDP AfD
Sensibilität für Problemlage
Konkretion der Maßnahme
Effektivität der Maßnahme
Bewertung insgesamt
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