Inklusive Bildung sicherstellen

Nach Prüfung des Stands der Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Deutschland äußerte der UN-Fachausschuss in seinen abschließenden Bemerkungen vom 3. Oktober 2023 deutliche Kritik am segregierenden Schulsystem Deutschlands. Konkret forderte er unter anderem einen umfassenden Plan, um den Übergang von Sonderschulen hin zu einem inklusiven Schulsystem zu beschleunigen, angemessene Regelungen zur Beförderung der Schüler*innen, vor allem im ländlichen Raum, kontinuierliche Weiterbildungen zur inklusiven Bildung für Lehrkräfte und Schulpersonal, sowie ein Monitoring-System.

Wie werden Sie sicherstellen, dass die Forderungen des UN-Fachausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen aus der letzten Staatenprüfung zum Artikel 24 „Bildung“ im Freistaat Sachsen umgesetzt werden?

 

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Sachsen unterstützt seit Jahren – im Rahmen der Möglichkeiten – die Ausweitung der inklusiven Unterrichtung von Schülerinnen und Schülern an Regelschulen. So sind bereits vor Jahren auch die rechtlichen Voraussetzungen zur inklusiven Unterrichtung auch für lernzieldifferent zu unterrichtende Schülerinnen und Schüler an Regelschulen geschaffen worden. Mit dem Aufbau von 64 Kooperationsverbünden wird die Vernetzung der Schulen zur Sicherung und Ausgestaltung der sonderpädagogischen Förderung und des inklusiven Unterrichts in den verschiedenen Regionen des Freistaats unterstützt.
Mit vielfältigen Qualifizierungsmaßnahmen für Lehrkräfte und weitere pädagogische Fachkräfte wird der Ausbau der inklusiven Unterrichtung begleitet.

Wir stehen aber gleichzeitig zu beiden Formen der sonderpädagogischen Förderung: der inklusiven Unterrichtung und der – in vielen Fällen temporären – Unterrichtung an Förderschulen. In beiden Formen der Unterrichtung geht es darum, den Schülerinnen und Schülern Voraussetzungen für gesellschaftliche und berufliche Teilhabe zu eröffnen.

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Der UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen hat zum zweiten Mal überprüft, wie die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland umgesetzt wird und eine Liste mit Handlungsempfehlungen veröffentlicht. Dabei wurde besonders hervorgehoben, dass alle Lebensbereiche für alle Menschen uneingeschränkt geöffnet werden müssen – von Anfang an und unabhängig von Art und Schwere einer Beeinträchtigung. Sondersysteme sollen schrittweise abgebaut werden – hin zu einem inklusiven Schulsystem und einem inklusiven ersten Arbeitsmarkt. Dem stimmen wir zu. Denn gesellschaftliche Teilhabe für alle ist eine wichtige Grundbedingung für eine stabile Demokratie. Sie muss integrativ und inklusiv sein und dabei alle Anstrengungen unternehmen, damit diese Teilhabe barrierefrei und bürokratiearm möglich wird.

Daher fördern wir die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen mit besonderen Förderbedarfen in allen Bereichen der Gesellschaft. Kitas, Schulen, Ausbildungsstätten und Hochschulen sowie außerschulische Lernorte wollen wir kontinuierlich inklusiv weiterentwickeln, entsprechende Maßnahmenpläne zur Umsetzung aktualisieren und die personellen Ressourcen, Räume und Inhalte der Bildung auf tatsächlich gelebte Inklusion ausrichten. Im schulischen Bereich stärken wir die Kooperationsverbünde, damit jede Schule Kinder aus dem Wohnumfeld aufnehmen und individuell nach deren Bedürfnissen fördern kann. Reguläre Arbeit ist für Menschen mit Behinderungen eine wichtige Möglichkeit, um am Leben in unserer Gesellschaft teilzuhaben. Für die Unternehmen ist Inklusion auch eine Frage der ökonomischen Vernunft. Wir wollen mit dem verbesserten Budget für Arbeit mehr Menschen mit Behinderungen eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit Tariflohn und Sozialversicherung ermöglichen. Außerdem stellen wir dem Budget für Arbeit eine Förderung bei Sachinvestitionen an die Seite, um mehr Inklusion möglich zu machen.

Wichtig ist für all diese Vorhaben, dass unsere Bildungseinrichtungen mit ausreichend Personal ausgestattet sind. Deshalb setzen wir uns für eine bedarfsgerechte Planung von Lehrerstellen für die allgemein- und berufsbildenden Schulen genauso ein wie für eine Verbesserung des Personalschlüssels in den Kindertagesstätten, die Ausbringung neuer Dauerstellen an den sächsischen Hochschulen und die auskömmliche Finanzierung der Erwachsenenbildung.

Wir brauchen in Stadt und Land ausreichend Angebote für barrierefreies Wohnen. Deshalb fördert der Freistaat Sachsen seit 2017 mit der Richtlinie „Wohnraumanpassung“ den barrierefreien Umbau von Wohnraum für Mieter und selbstnutzende Eigentümer einer Wohnung oder eines Wohnhauses mit Zuschüssen. Auch die Förderung des selbstgenutzten Eigentums wurde weiterentwickelt. Die aktuelle Förderrichtlinie Familienwohnen enthält nun einen zusätzlichen Förderbaustein für Familien mit einem schwerbehinderten Familienmitglied. Diese wichtigen Maßnahmen zur Förderung von barrierefreiem Wohnen werden wir weiterhin unterstützen und ausbauen.

Logo von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Wir BÜNDNISGRÜNE wollen, dass alle Menschen zusammen leben und lernen können, egal woher sie kommen, welche Sprache sie sprechen oder ob sie eine Behinderung haben. Junge Menschen mit Behinderungen sollen gleichberechtigten und diskriminierungsfreien Zugang zu einem inklusiven, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben. Die Parallelität von Förderschulsystem und Schulen des gemeinsamen Lernens ist aus unserer Sicht der teuerste und oftmals – für viele der jungen Menschen – nicht der beste Weg. Wir nehmen zur Kenntnis, dass ein Rückbau der Förderschulen sowohl von einigen Eltern von Kindern mit Behinderungen als auch von der CDU, dem größten Koalitionspartner, nicht gewollt war und ist, weshalb wir BÜNDNISGRÜNE uns auf das Gelingen der inklusiven Bildung konzentrieren.

Ein wichtiger Schritt in Richtung eines inklusiven Schulsystems war die Abschaffung der Förderschulpflicht 2017. Mit der Schulgesetzänderung 2022 haben wir ein Entscheidungsrecht der Schulaufsicht eingeführt, das greift, wenn es keine Einigung über den Ort der inklusiven Beschulung gibt. Dadurch soll verhindert werden, dass Familien von Schule zu Schule geschickt werden und das Kind am Ende ohne Schulplatz dasteht. Die überall eingerichteten Kooperationsverbünde wollen wir weiterentwickeln, um eine inklusive Beschulung in allen Förderschwerpunkten wohnortnah zu sichern. Wir sehen Inklusion als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und damit auch als Aufgabe für alle Schulen und Schularten gleichermaßen. Deshalb wollen wir auch Gymnasien für den lernzieldifferenten Unterricht öffnen.

Pädagogische Fachkräfte sollen umfassend zum Thema Inklusion aus-, fort- und weitergebildet werden. Das umfasst diagnostische Kompetenzen ebenso wie binnendifferenzierte Arbeit in Gruppen oder Klassen und den Umgang mit Heterogenität. Wir wollen ein Modul für inklusive Pädagogik in allen Lehramtsstudiengängen einführen und das Förderschullehramt zu einem Lehramt für inklusive Pädagogik weiterentwickeln. Auch für bestehende Lehrkräfte sollen verpflichtende Fortbildungen angeboten werden. Die Anzahl der Studienplätze im Lehramt Sonderpädagogik soll konstant bleiben. Den Weg der Regionalisierung in allen Phasen der Lehrkräftebildung setzen wir fort, um pädagogische Fachkräfte dort auszubilden und zu binden, wo sie gebraucht werden.
Zur Unterstützung der Lehrkräfte und zur Förderung eines inklusiven Lernumfelds wollen wir mehr Inklusionsassistent*innen und pädagogische Fachkräfte in allen Schulen. An allen Schulen soll es sonderpädagogische Expertise geben. Erfolgreiche Schüler*innen in den Förderschwerpunkten Lernen und geistige Entwicklung sollen den Hauptschulabschluss bekommen können.

Eine Grundvoraussetzung für gelingende Inklusion ist umfassende Barrierefreiheit: barrierefreie Schulbauten ebenso wie inklusive Lehr- und Lernmaterialien, Bildungsmedien und -technologien. Es ist notwendig, die Finanzierung für barrierefreien Neubau und Sanierung von Schulen zu erhöhen. Ebenso müssen die personellen und materiellen Ressourcen für den inklusiven Unterricht angepasst werden. Wir setzen uns dafür ein, dass inklusiv arbeitende Schulen pauschale Zuweisungen erhalten, die sie nach Bedarf vor Ort in zusätzliche räumliche oder personelle Kapazitäten investieren können, in Ergänzung zu Gewichtungsfaktoren bei der Klassenbildung und Integrationsstunden. Für den freigestellten Schülerspezialverkehr könnte ein Sonderlastenausgleich greifen, wie er bis 1994 in Sachsen galt. Eine Entlastung für die Landkreise und kreisfreien Städte wäre auch durch eine Erhöhung des Landesanteils im Ausbildungsfinanzierungsgesetz oder zumindest durch eine Dynamisierung gegeben. Langfristig muss es ein Ziel bleiben, die Schülerbeförderung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen weitgehend in den allgemeinen Linienverkehr zu integrieren.

Ein Erfolg unserer ersten Regierungsbeteiligung ist die Berufung einer Ombudsperson gegen Diskriminierung an Schulen in Sachsen. Betroffene können sich an diese Stelle wenden, wenn sie Diskriminierungserfahrungen machen und Unterstützung suchen. Wir wollen diese Stelle besser unterstützen und bekannter machen.

Logo der Partei DIE LINKE

Der Einsatz für ein inklusives Bildungswesen bedeutet im strukturkonservativen Sachsen, das eisern zum Förderschulwesen für Kinder mit Behinderungen steht, eine umfassende Bildungsreform. Die Linke setzt sich für die flächendeckende Etablierung inklusiver Schulen nach dem Modell von Gemeinschaftsschulen für alle Kinder ein. Wir streben gemeinsame Lernorte für alle Kinder an, unabhängig von Behinderungen, sozialer Herkunft oder Migrationsgeschichte. Auf dem Weg zu Gemeinschaftsschulen für alle sollen die Förderschulen zunächst geöffnet und schrittweise zurückgebaut werden, damit die sonderpädagogische Expertise in den Betrieb aller Schulen eingebunden werden kann. Angehenden Lehrkräften sollen bereits im Studium inklusionspädagogische Inhalte vermittelt und das Wissen in regelmäßigen Weiterbildungen vertieft werden. Mit einem Zwei-Lehrkräfte-Prinzip, kleineren Klassen und einer dem Förderungsbedarf angepassten Klassenbildungsverordnung setzen wir Rahmenbedingungen, die separierende Förderschulen schrittweise überflüssig machen. Dieser Prozess soll behutsam und wissenschaftlich begleitet ablaufen, um den Bedürfnissen aller Kinder gerecht zu werden. So könnte bestimmter Förderbedarf angesichts des Mangels an geeignetem Personal an inklusiven Regelschulen konzentriert werden.

Eine Schule für alle muss auch für alle Kinder zugänglich sein, wir setzen uns für den konsequenten Abbau von vielfältigen Barrieren ein. Dies bezieht sich nicht nur auf die baulichen Gegebenheiten, sondern auch auf eine umfassende Ausstattung, wie zum Beispiel mit digitalen Medien und Technologien. Indem diese unter Berücksichtigung medien- und inklusionspädagogischer Expertise in den Unterricht integriert werden, können auch Kinder mit Einschränkungen davon profitieren. Auch die Deutsche Gebärdensprache wollen wir an Schulen stärken, indem sie als Fremdsprache anerkannt und als Lehrangebot in den Rahmenlehrplänen verankert wird.

Logo BSW

Wie bereits zu Frage 1 angeführt, möchten wir die inklusive Schulbildung in Sachsen voranbringen. Dazu braucht es aber die entsprechenden personellen und materiellen Ressourcen, diese müssen in den kommenden Jahren durch den Freistaat zur Verfügung gestellt werden. Des Weiteren braucht es Aus- und Weiterbildungsangebote für Lehr- und Fachpersonal, um diese entsprechend zu sensibilisieren und zu qualifizieren. Wir möchten Kindern und Jugendlichen mit besonderen Bedürfnissen ein lebenslanges Lernen entsprechend ihren individuellen Bedarfen ermöglichen.