Inklusion und Bildungsgerechtigkeit

Vielfalt im Klassenzimmer ist Ziel und Realität zugleich. Kinder mit unterschiedlichen sozialen, kulturellen und gesellschaftlichen Zugehörigkeiten und Zuschreibungen kommen hier während einer prägenden Lebensphase zusammen. Wie Kinder diese Phase erleben, welche Möglichkeiten sie erhalten oder ihnen versagt bleiben, stellt die Weichen für ihr weiteres Leben.

  1. Wie stellen Sie Bildungsgerechtigkeit angesichts unterschiedlicher Ausgangsbedingungen und Fähigkeiten von Schüler*innen sicher, insbesondere beim Zugang zu (Regel-)Schulen und Schulübergängen, speziell beim Übergang auf das Gymnasium?
  2. Wie verhindern Sie, dass Kinder beispielsweise aufgrund ihrer sozialen oder ethnischen Herkunft, einer Behinderung oder wegen fehlender Deutschkenntnisse im Bildungssystem pauschal als defizitär betrachtet und behandelt werden?

Unsere Bewertung der Antworten:

Die Gesamtbewertung einer Antwort ergibt sich aus dem gewichteten arithmetischen Mittel der drei Kriterien. 50 Prozent der Gesamtwertung wird dabei von der Effektivität der Maßnahme bestimmt, jeweils 25 Prozent von der Sensibilität für Problemlagen und von der Konkretion.

Logo der CDU

Zu 1) Wir legen die Grundlagen dafür, jungen Menschen einen guten Bildungs- und Berufsabschluss zu ermöglichen, der sich sowohl an ihren Begabungen, persönlichen Fähigkeiten und Interessen orientiert, als auch eine selbstbestimmte und wirtschaftlich sichere Lebensgestaltung ermöglicht. Dabei wollen wir Angebote und Wege für besonders leistungsstarke und leistungsschwächere gleichermaßen in den Blick nehmen.

Um alle jungen Menschen, die die Schule ohne Anschlussperspektive verlassen, zu erreichen, setzen wir den Datenaustausch zwischen Schulen und Bundesagentur für Arbeit nach §31a SGB III in Landesrecht um. Das beitragsfreie und verpflichte Vorschuljahr ist eine unserer Forderungen, die nicht nur Eltern finanziell entlastet, sondern auch für bestmögliche Startvoraussetzungen in die Schule sorgen soll.

Allen Schülerinnen und Schülern im Freistaat Sachsen stehen alle Bildungswege im Rahmen der schulischen Bildung in einem gegliederten Schulsystem offen. Dieses ermöglicht, im Rahmen der individuellen Fähigkeiten und Kompetenzen einen bestmöglichen Bildungsabschluss, der den Leistungsanforderungen, auch mit Blick auf eine spätere berufliche oder akademische Karriere, entspricht. Insofern sehen wir keinen Veränderungsbedarf.
Gleichwohl sehen wir mit Blick auf den Fachkräftebedarf unserer Wirtschaft, die teils mangelnde Studierfähigkeit von Schülerinnen und Schüler mit Abitur und eine Abbruchquote von fast 4 % im letzten Schuljahr den Bedarf, die Zugangskriterien zum Gymnasium und die Weiterentwicklung und Stärkung unserer Oberschulen in der kommenden Legislaturperiode intensiver zu diskutieren.

Zu 2) Kein Kind wird im sächsischen Schulsystem pauschal als defizitär betrachtet und behandelt. Unser Ziel ist klar: Alle jungen Menschen sollen eine Anschlussperspektive an Schule- und Berufsausbildung erhalten.

Logo der SPD

1) Bildung entscheidet unsere Zukunft: die jedes einzelnen Menschen und die unserer Gesellschaft. Bildung eröffnet Chancen, ermöglicht Wege und erweitert Perspektiven. Sie trägt dazu bei, dass Menschen selbstbestimmt und zufrieden leben. Und sie ist der Motor für gesellschaftlichen Fortschritt. Für die SPD Sachsen steht fest: Um Chancen und Wege zu eröffnen, muss Bildung wohnortnah verfügbar sein. Und Teilhabe an Bildung ist von besonderer Bedeutung. Bildung muss gebührenfrei sein – von der Kita bis zum Master oder Meister! Wir wollen deshalb die Kita-Gebühren und Langzeitstudiengebühren abschaffen und die Lernmittelfreiheit garantieren.

Wir alle wissen, dass in den frühen Lebensjahren die entscheidenden Weichen gestellt und der Grundstein für gelingende Bildungsprozesse gelegt werden. Es kommt daher auf den Start an. Wir werden auf den Ausbau und die Stärkung der frühkindlichen Bildung in den nächsten Jahren einen besonderen Fokus legen. Um Bildungsgerechtigkeit zu organisieren, müssen wir die Bildung der Allerkleinsten verstärkt in den Blick nehmen. Unser Anspruch an frühkindliche Bildung ist: Mehr Zeit der Pädagog:innen für Kinder in den Kinderkrippen und der Kindertagespflege, in den Kindergärten und im Hort. Wir wollen deshalb den Personalschlüssel weiter verbessern, um zu einer besseren Fachkraft-Kind-Relation zu kommen. Außerdem sollen Hort, Kindergarten und Kinderkrippe schrittweise beitragsfrei werden – zunächst mit einer Deckelung der Elternbeiträge und dann einer stufenweisen Beitragsfreiheit für jedes Kita-Jahr.

Im schulischen Bereich wollen wir das längere gemeinsame Lernen an Gemeinschaftsschulen und Oberschulen+ stärken. Durch den Verzicht auf eine Bildungsempfehlung werden Brüche in jungen Jahren vermieden. Kinder und Jugendliche lernen entsprechend ihren Neigungen und Fähigkeiten und erwerben einen Schulabschluss. Damit dies flächendeckend gelingt, bauen wir Hürden ab und ermöglichen die Einrichtung von dreizügigen Gemeinschaftsschulen sowie von ein- oder zweizügigen Oberschulen+ in Mittelzentren. Mit der Umsetzung des Startchancenprogramms, sozialindexbasierten Zusatzressourcen, einem Ausbau der rhythmisierten Ganztagsschule sowie dem flächendeckenden Ausbau von Schulassistenz und Schulsozialarbeit sollen Schulen so aufgestellt werden, dass sie individuell fördern können und für Chancengerechtigkeit sorgen.

Als SPD Sachsen wollen wir allen Jugendlichen ein Recht auf Bildung garantieren. Sie sollen einen Schulabschluss erwerben und eine Ausbildung abschließen können. Mit Volkshochschulen als anerkannten Schulen des zweiten Bildungsweges und landesfinanzierten Produktionsschulen unterstützen wir dies und stärken die nachholende Bildung.

Zu 2) Strukturell ist das Recht auf Bildung in der Sächsischen Verfassung lediglich als Staatsziel benannt, aber als individuelles Grundrecht nicht einklagbar. Das wollen wir ändern, denn mit den Rechtsansprüchen auf einen Kita-Platz, der Schulpflicht und dem Weiterbildungsanspruch sind alle Voraussetzungen gegeben. Auch deshalb wollen wir die Verfassung reformieren.

Unser Ziel ist, die Teilhabe aller Schüler:innen zu fördern. Ob besonderer Förderbedarf, soziale oder kulturelle Herkunft: Wir entwickeln Bildung und Lernorte kontinuierlich inklusiv weiter und schreiben die Maßnahmenpläne zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention fort, bauen die personellen und sächlichen Ressourcen zur Unterstützung aus. Wir entwickeln unter anderem eine Roadmap „Eine Kita für alle” und fördern inklusive Maßnahmen in Ausbildungsstätten, Schulen und Hochschulen weiter. Die schulischen Kooperationsverbünde stärken wir, damit jede Schule Kinder aus dem Wohnumfeld aufnehmen und individuell nach deren Bedürfnissen fördern kann.

Generell sensibilisieren wir für das Thema, schaffen Antidiskriminierungsstrukturen, bieten ausreichend Fort- und Weiterbildung an und fördern unterstützende Maßnahmen und Projekte. Heterogenität und Vielfalt gehören zum pädagogischen Alltag. So soll die Kooperation mit außerschulischen Bildungspartner:innen durch Budgets gestärkt werden. Prinzipiell verfolgen wir den Ansatz zur Stärkung einer eigenverantwortlichen Schule, die auf einer demokratischen Schulkultur basiert.

Logo von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zu 1) Wir BÜNDNISGRÜNE stellen Bildungsgerechtigkeit konsequent in den Mittelpunkt unserer Bildungspolitik. Wir sichern den Zugang zu Bildung, stärken individuelle Bildungswege und setzen Mittel gezielt dort ein, wo sie wirklich gebraucht werden. Chancengerechtigkeit und Leistungsorientierung bilden für uns keinen Widerspruch.
Unter unserer Regierungsbeteiligung ist es endlich gelungen, auch in Sachsen Schulen des längeren gemeinsamen Lernens (Gemeinschaftsschulen, Oberschulen+) gesetzlich zu verankern. Diesem ersten Schritt müssen weitere folgen, weshalb wir die hohen Hürden bei der Einrichtung einer Gemeinschaftsschule oder Oberschule+, insbesondere die Vorgaben zur Mindestzügigkeit, absenken wollen. Wir sind überzeugt: Schulen, an denen alle Schüler*innen entsprechend ihrer Fähigkeiten und Neigungen gefördert werden und an denen alle Schulabschlüsse möglich sind, sind Motoren sozialer Integration. Gleichzeitig entfällt der Druck, der an den Übergängen des Bildungssystems entsteht. Ferner arbeiten wir für echte, gebundene und rhythmisierte Ganztagsschulen, um Bildungsbenachteiligungen entgegenzuwirken.

Wir wollen Schulen mit besonderen Bedarfen gezielt unterstützen und haben in Regierungsverantwortung die Erarbeitung eines Sozialindex vorangetrieben. Dieser kam bei der Auswahl der Schulen für das Startchancen-Programm erstmals zur Anwendung; wir streben auch künftig nach einer stärkeren Berücksichtigung eines herausfordernden sozialen Umfelds und der Zuweisung zusätzlicher Stellen und finanzieller Mittel. Das Assistenz- und Unterstützungssystem an Schule, Schulsozialarbeit sowie Programme wie die Familienschulzentren sollen künftig vermehrt an den Schulen ausgebaut werden, an denen der Bedarf am größten ist.

Beim Thema Inklusion sind wir ein gutes Stück vorangekommen. Nach der Abschaffung der Förderschulpflicht 2017 haben wir mit der neuerlichen Schulgesetzänderung 2022 ein Letztentscheidungsrecht der Schulaufsicht durchgesetzt, das dann greift, wenn innerhalb eines Kooperationsverbunds keine Einigung über den Ort der inklusiven Beschulung erzielt wird. Dadurch soll verhindert werden, dass Familien von Schule zu Schule geschickt werden und das Kind am Ende ohne Schulplatz dasteht, weil sich niemand in der Lage sieht, es aufzunehmen. Künftig wollen wir die eingerichteten Kooperationsverbünde verstetigen und wohnortnah in allen Förderschwerpunkten eine inklusive Beschulung absichern. Inklusion ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und damit auch Aufgabe für alle Schulen und Schularten gleichermaßen. Wir wollen deshalb auch Gymnasien für eine an individuellen Lernzielen ausgerichtete Unterrichtung (lernzieldifferenten Unterricht) öffnen. Erfolgreichen Absolvent*innen der Schulen mit den Förderschwerpunkten Lernen und geistige Entwicklung wollen wir den Hauptschulabschluss zuerkennen. Wir setzen uns dafür ein, dass inklusiv arbeitende Schulen pauschale Zuweisungen erhalten, die sie nach Bedarf vor Ort in zusätzliche räumliche oder personelle Kapazitäten investieren können, in Ergänzung zu Gewichtungsfaktoren bei der Klassenbildung und Integrationsstunden.

Zu 2) Neben einem Diskriminierungsschutz im Schulgesetz setzen wir auf eine offene, demokratische und partizipative Schulkultur sowie die Sensibilisierung aller an Schule Beteiligten für Diskriminierung. Wir begrüßen Diversität an sächsischen Schulen ausdrücklich und betrachten sie als Bereicherung. Die Abwendung vom vorherrschenden Defizitblick auf Schüler*innen fußt aus unserer Sicht auf einem Kulturwandel: Wir sehen die Aufgabe von Schule darin, junge Menschen fit zu machen für ihren individuellen Weg in einer zunehmend komplexen Welt. Wir wollen moderne, gerechte und demokratische Schulen. Pädagogik, Lern- und Prüfungskultur sollten sich durch einen hohen Lebensweltbezug auszeichnen, demokratische Bildung muss als fächerübergreifende Schulkultur gestärkt werden. Demokratiebildung bedeutet auch, sich als Einzelne*r und als Schulgemeinschaft gegen jede Form von Diskriminierung zu stellen. Deshalb unterstützen wir eine Ausweitung der Netzwerke „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ sowie „Schule der Vielfalt“. Zudem sollen pädagogische Fachkräfte umfassend zum Thema Inklusion aus-, fort- und weitergebildet werden. Das umfasst diagnostische Kompetenzen ebenso wie binnendifferenzierte Arbeit in Gruppen oder Klassen und den Umgang mit Heterogenität. Zur Förderung eines inklusiven Lernsettings fordern wir mehr Inklusionsassistent*innen und pädagogische Fachkräfte im Unterricht an allen Schulen und Schularten. Weiterhin muss das Fach Deutsch als Zweitsprache (DaZ) verstärkt gefördert und angeboten werden, parallel wollen wir den herkunftssprachlichen Unterricht bedarfsorientiert ausweiten und Mehrsprachigkeit im schulischen Kontext stärker als Kompetenz würdigen.

Logo der Partei DIE LINKE

Zu 1) Wir setzen uns dafür ein, dass die Gemeinschaftsschule zum Standard im sächsischen Bildungssystem wird. Dort kann jedes Kind jeden Abschluss erreichen, ohne aussortiert zu werden – das fördert soziale Gerechtigkeit und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Weiterhin setzen wir uns dafür ein, Deutsch als Zweitsprache an jeder Schule zu fördern. Es ist problematisch, dass die Sprachförderung meist abbricht, wenn die Kinder und Jugendlichen von der Vorbereitungs- in die Regelklasse wechseln.

Zu 2) Wir wollen eine „Schule für alle“, an der alle Kinder gemeinsam lernen können, unabhängig von der sozialen Herkunft, Migrationsgeschichte oder eines sonderpädagogischen Förderbedarfs. So lassen sich Vorurteile abbauen und Solidarität kann erlernt werden. Gemeinsames Lernen wirkt nachweislich positiv auf den Lernerfolg, wenn es richtig konzipiert und fachlich unterstützt wird.
Eine inklusive Gesellschaft beginnt in der Kita und setzt sich in einer inklusiven Schule fort. In der Klassenbildungsverordnung ist die Schwelle der Anerkennung von Kindern mit besonderem Förderbedarf zu hoch, die Förderung sollte erleichtert werden. Sachsen hält an einem Förderschulwesen fest, das nicht mit der UN-Behindertenrechtskonvention vereinbar ist und immer wieder international kritisiert wurde. Das Recht auf inklusive Beschulung muss im Sächsischen Schulgesetz verankert werden. Wir wollen chancengleiche Bildung ohne Diskriminierung.

Alle Schüler:innen und ihre Eltern haben das Recht auf die freie Wahl der Schulform. Dazu soll die Trennung der Schulformen überwunden, das Förderschulsystem zurückgebaut und die Aufnahme von Schüler:innen mit Behinderungen in Regelschulen ermöglicht werden. Für eine inklusive Bildung ist eine umfassende Ausstattung der Regelschulen notwendig. Sonderpädagog:innen, die für den inklusiven Unterricht dringend benötigt werden, sollen auch in regulären Schulen unterrichten. Außerdem setzen wir uns dafür ein, inklusive Lehr- und Lernkonzepte in der allgemeinen Lehrer:innenausbildung fest zu verankern sowie alle Lehrkräfte im Bereich inklusive Bildung weiterzubilden. Mehr Schulassistenzen sollen den Unterricht unterstützen, barrierefreie Schulgebäude müssen geschaffen werden, damit der Wunsch, eine bestimmte Schule zu besuchen, nicht an „einer fehlenden Rampe“ scheitert. Schließlich sollte die Deutsche Gebärdensprache als Fremdsprache anerkannt und an Schulen verstärkt vermittelt werden. Wir wollen zudem eine gesetzliche Grundlage für den Anspruch auf Beschulung in Gebärdensprache für gehörlose Schüler:innen (in Förderzentren) schaffen und die kontinuierliche Kompetenzerweiterung von Lehrkräften im Ausüben und Anwenden der Deutschen Gebärdensprache sicherstellen.

Logo der FDP

Zu 1) Wir Freie Demokraten setzen auf das Leistungsprinzip, also darauf, dass jeder, der die notwendigen Voraussetzungen erfüllen kann, unabhängig von seinen Ausgangsbedingungen das Maximale aus sich herausholen kann. Es ist selbstverständlich, dass auch Herkunft und soziales Umfeld dabei keine Rolle spielen darf.

Zu 2) Wir Freie Demokraten setzen uns dafür ein, dass jedem Einzelnen, unabhängig von seinen persönlichen Voraussetzungen, der Zugang zu allen Möglichkeiten offensteht, um sich selbst und seine Potenziale zu entwickeln und zu entfalten. Wir werden Menschen mit Behinderung bei einer möglichst weitgehenden Inklusion unterstützen und fehlende Deutschkenntnisse bei Migranten so früh wie möglich durch Sprachkurse und Sprachunterricht abbauen.