Beschwerdestrukturen und Anlaufstellen bei Diskriminierung an Schulen und Hochschulen

Schulen und Hochschulen sind für Schüler*innen und Studierende in vielerlei Hinsicht vergleichbar mit einem Arbeitsplatz. Hier verbringen sie viel Zeit in sozialen Bezügen, die sie sich nur begrenzt aussuchen können. Anders als im Arbeitsbereich ist im Bildungsbereich die Sicherstellung eines diskriminierungsfreien Umfeldes weit weniger klar geregelt: Schulen verfügen in der Regel über keine expliziten Anlaufstellen und klar geregelten Verfahren – Betroffenen ist nicht bekannt, an wen sie sich wenden können und was die nächsten Schritte sind. Lehrer*innen sind in der Bewältigung von Diskriminierung und ihren Folgen oftmals auf sich gestellt. Im Bereich der Hochschulen wurden Anlauf- und Beratungsstrukturen teilweise aufgebaut. Diese sind aber noch nicht mit hinreichenden Befugnissen und Mitteln ausgestattet.

  1. Wie werden Sie Schulen und Hochschulen dazu verpflichten, Konzepte für Beschwerdestrukturen und Anlaufstellen bei Diskriminierung zu entwickeln? Wie stellen Sie sicher, dass Schüler*innen, Studierende, Eltern, und Mitarbeiter*innen wissen, wo sie im Falle einer Diskriminierung Hilfe erhalten?
  2. Eine Beschwerdestelle bei Diskriminierung muss unabhängig und mit angemessenen Befugnissen und Mitteln ausgestattet sein, um wirksam zu sein. Die Ombudsstelle beim Sächsischen Kultusministerium erfüllt diese Kriterien bisher noch nicht. Wie werden Sie diese Struktur weiter ausbauen?

Unsere Bewertung der Antworten:

Die Gesamtbewertung einer Antwort ergibt sich aus dem gewichteten arithmetischen Mittel der drei Kriterien. 50 Prozent der Gesamtwertung wird dabei von der Effektivität der Maßnahme bestimmt, jeweils 25 Prozent von der Sensibilität für Problemlagen und von der Konkretion.

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Zu 1) Die vorhandenen Strukturen und insbesondere die Arbeit der Vertrauenslehrerinnen und -lehrer sind für uns ein ausreichendes Mittel, um Diskriminierung zu begegnen. Die Pädagoginnen und Pädagogen werden darüber hinaus auch im Rahmen von Weiterbildungen entsprechend geschult und sensibilisiert. Darüber hinaus steht die Ombudsstelle beim SMK für den Bereich der Schulen als Anlaufstelle zur Verfügung.

Zu 2) Wir planen keinen weiteren Ausbau. Vielmehr halten wir die Ombudsstelle beim SMK für ausreichend, leistungsfähig und fachlich gut besetzt und können die ihrerseits vorgebrachte Kritik nicht teilen. Die Weiterentwicklung der Ombudsstelle im Hinblick auf die Vielfalt der Aufgaben erscheint uns sinnvoll, wohingegen weitere Strukturen, so wie an anderen Stellen bereits augenscheinlich, Zuständigkeiten verwischen und die Effizienz gefährden würden.

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Zu 1) Mit der letzten Novelle des Hochschulgesetzes wurden die Aufgaben der Hochschulen in § 5 SächsHSG neu gefasst. So heißt es dort: „Die Hochschulen berücksichtigen die Vielfalt ihrer Mitglieder und Angehörigen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben und tragen insbesondere dafür Sorge, dass alle Mitglieder und Angehörigen ungeachtet ihrer Herkunft und ethnischen Zugehörigkeit, des Geschlechtes, des Alters, der sexuellen Identität, einer Behinderung, einer chronischen Krankheit, ihrer Religion oder ihrer Weltanschauung gleichberechtigt an Forschung, Lehre, Studium und Weiterbildung im Rahmen ihrer Aufgaben, Rechte und Pflichten an der Hochschule teilnehmen können. Die Hochschulen stellen für ihre Mitglieder ein diskriminierungsfreies Studium oder eine diskriminierungsfreie berufliche oder wissenschaftliche Tätigkeit sicher. Sie wirken im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf den Abbau bestehender Benachteiligungen hin. § 3 Absatz 4, § 7 Absatz 1, § 12 Absätze 1 bis 4 sowie § 13 Absatz 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes […] gelten für die Mitglieder und Angehörigen, die keine Beschäftigten sind, entsprechend.“ Demnach ist eine Beschwerdestelle gemäß AGG auch für die Hochschulen strukturell verankert und muss nunmehr etabliert werden. Um diesen Prozess zu begleiten, sollten entsprechende Ziele in die hochschulspezifischen Zielvereinbarungen für die Zeit 2025 bis 2028 aufgenommen werden.

Die SPD möchte ein Landesantidiskriminierungsgesetz erarbeiten, um unter anderem auch den Schulbereich abzudecken. Eine Verankerung und konkrete Ausgestaltung von Beschwerdestrukturen und Anlaufstellen würde über diesen Weg geregelt. Damit Schüler:innen, Studierende, Eltern und Mitarbeiter:innen ihre Rechte kennen, bedarf es
gezielter Aufklärungs- und Öffentlichkeitskampagnen. Diese wollen wir zusammen mit den
Institutionen und Interessensvertretungen umsetzen.

2) Mit der Erarbeitung eines Landesantidiskriminierungsgesetzes werden Standards gesetzt, die es dann im jeweiligen Geschäftsbereich auszugestalten gilt.

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Zu 1) Im Bereich Gleichstellung und Antidiskriminierung macht es einen Unterschied, ob Bündnisgrüne mitentscheiden – unser politisches Wirken findet sich in verschiedenen Bereichen wieder: Mit der Hochschulgesetznovelle 2023 haben wir beispielsweise die Beauftragten für Gleichstellung und Antidiskriminierung gestärkt und den Anspruch auf ein diskriminierungsfreies Studium sowie eine diskriminierungsfreie berufliche oder wissenschaftliche Tätigkeit als Aufgabe der Hochschulen gesetzlich verankert. Daneben findet das AGG auch auf alle Mitglieder und Angehörigen Anwendung, die keine Beschäftigten sind. Es ist gesetzliche Aufgabe der Hochschulen, die Diskriminierungsfreiheit in ihrem Verantwortungsbereich entsprechend umzusetzen und bestehende Nachteile abzubauen. Aus der Aufgabe folgt die Verpflichtung: Beschwerdestrukturen und Ansprechpersonen müssen auf transparente, übersichtliche sowie einfach zugängliche und barrierefreie Art und Weise identifizierbar und hochschulweit zentral einsehbar sein. Soweit weiterhin Schutzlücken bestehen, wollen wir diese identifizieren und schließen.

Im Schulbereich konnten wir 2022 auf BÜNDNISGRÜNE Initiative hin eine Ombudsperson gegen Diskriminierung an Schulen im Freistaat Sachsen berufen. Wir sind überzeugt: Wer Diskriminierung erlebt, braucht Beratung und Unterstützung. Innerhalb des Systems, in dem die Diskriminierungserfahrung gemacht wurde, kommt man da mitunter an Grenzen. Zwar stehen Vertrauens- und Beratungslehrer*innen, weitere Lehrkräfte, die Schulleitung oder Schulkonferenz als Ansprechpartner*innen bereit. Dennoch ist es aus unserer Sicht wichtig, eine externe, unabhängige Anlaufstelle vorzuhalten, an die sich Betroffene wenden können. Daneben sollten Netzwerke wie „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ oder „Schule der Vielfalt“ gefördert und ausgeweitet werden; vorhandenes Material, wie der Leitfaden „Diskriminierung an Schulen erkennen und vermeiden“, müssen verbreitet und bekannter gemacht werden. Neben der Ombudsstelle müssen auch schulinterne und schulverwaltungsinterne Beschwerdestrukturen für Betroffene transparent und niedrigschwellig sein. Dabei dürfen die einzelnen Schulen nicht mit einer Konzepterstellung alleine gelassen werden, sondern sollten von o.g. Netzwerken, Leitfäden und Best-Practice-Beispielen profitieren.

Zu 2) Die Berufung einer Ombudsperson gegen Diskriminierung an Schulen im Freistaat Sachsen ist ein BÜNDNISGRÜNER Erfolg unserer ersten Regierungsbeteiligung. Wir haben das gegen Widerstände durchgesetzt. Es ist uns damit gelungen, erstmals eine zentrale Anlaufstelle außerhalb des Systems Schule zu schaffen, an die sich Betroffene wenden können, wenn sie Diskriminierungserfahrungen machen. Die Ombudsstelle berät und unterstützt alle an Schule Beteiligten unabhängig. Jedoch ist die Stelle bisher als Ehrenamt ausgestaltet und die unterstützende Geschäftsstelle umfasst nur eine halbe Stelle (gemeinsame Geschäftsstelle mit dem Beauftragten für das Jüdische Leben). Im Gespräch wurde uns gespiegelt, dass man sich hier insbesondere im administrativen Bereich eine Verstärkung wünscht. Dem wollen wir BÜNDNISGRÜNE entsprechen. Zudem sind wir bestrebt, bei Problemanzeigen und Vorfällen an Schulen, die an uns herangetragen werden, auf die Ombudsstelle hinzuweisen, um sie bekannter zu machen und die Sichtbarkeit zu erhöhen. Das eingerichtete Online-Portal zur Meldung von Diskriminierungsfällen erachten wir als guten und niedrigschwelligen Zugangsweg. Wichtig ist aber auch anzuerkennen, dass die Ombudsstelle nicht bei arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen vermitteln kann und die schulinternen und schulverwaltungsinternen Beschwerdestrukturen nicht ersetzen kann und soll.

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Zu 1) An Schulen und Hochschulen sollen verbindlich unabhängige Beschwerdestellen für von Diskriminierung betroffener Personen eingerichtete werden. Mit dem Antrag „#MeToo in Science“ hat unsere Fraktion in der aktuellen Legislatur umfassende Maßnahmen zur Unterstützung von Betroffenen von Diskriminierung an den Hochschulen gefordert, so die Einrichtung von unabhängig und weisungsfrei tätigen Beschwerdestellen im Sinne des § 13 AGG an jeder Hochschule in Sachsen für alle von Diskriminierung und sexueller Belästigung an Hochschulen betroffenen Menschen. Wir werden weiter dafür kämpfen, dass es Anlaufstellen bei Diskriminierung in Schulen und Hochschulen gibt und dass alle, die Unterstützung brauchen diese auch bekommen.

Zu 2) Zunächst einmal muss die Beschwerdestelle über ausreichend Personalkapazitäten verfügen, so dass sie Beschwerden aufnehmen und angemessen bearbeiten kann. Hierzu müssen Zeiten für Fort- und Weiterbildungen eingeplant werden.

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Zu 1) In Schulen sind mit Vertrauenslehrern und der Schulleitung Anlaufstellen für Diskriminierungsbeschwerden vorhanden. Einen wichtigen Beitrag sehen wir in den Schulsozialarbeitern, die leider noch immer nicht an allen Schulen verfügbar sind. Hier wollen wir nachbessern und dafür sorgen, dass diese an allen Schulen aktiv sind. An den Hochschulen gibt es für die Mitarbeiter über rechtlich dafür ausgestattete Personalräte Anlaufstellen. Die Studentenschaft ist über ihre gesetzlich vorgeschriebenen Vertretungen in den Hochschulgremien mit entsprechenden Beschwerdestellen ausgestattet. Zudem können sie im Rahmen der Selbstverwaltung eigene Stellen aufbauen, wenn dies notwendig ist. Einen weiteren Bedarf werden wir prüfen und regeln, falls sich dies als notwendig erweisen sollte.

Zu 2) Wir werden die Strukturen fortlaufend auf ihre Wirksamkeit prüfen und bei Bedarf verbessern.