Berlin 2021

Sensibilität der Landespolizei für Diskriminierung

Polizeibeamt:innen sind nicht frei davon, diskriminierende Zuschreibungen zu reproduzieren und sich in ihrem Handeln und Urteilen davon beeinflussen zu lassen. Aufgrund ihrer wichtigen gesellschaftlichen Aufgaben und ihrer besonderen Stellung ist eine Auseinandersetzung mit dem Thema Diskriminierung und der eigenen Rolle für Polizist:innen besonders wichtig, insbesondere, weil sie häufig als Ansprechpartner:innen bei Diskriminierung wahrgenommen und um Unterstützung gebeten werden.

  1. Durch welche Maßnahmen werden Sie die Diversität in der Personalstruktur der Berliner Polizei vergrößern? In welcher Form müsste dafür die Ausbildung verändert werden?
  2. Wie werden Sie sich konkret dafür einsetzen, dass Polizeibeamt:innen in der Ausbildung Diskriminierungssensibilität als Kernkompetenz vermittelt und die Sensibilität kontinuierlich im Rahmen von Fortbildungen erweitert wird?
  3. Werden Sie die Arbeit der Bürger:innen- und Polizeibeauftragten des Landes evaluieren?

Wir stehen an der Seite unserer Polizistinnen und Polizisten. Sie stehen jeden Tag mit ihrer Arbeit und oft auch mit ihrem Leben für unser aller Sicherheit ein und leisten damit einen wichtigen Dienst an der Gemeinschaft. Für das verantwortungsvolle Handeln der Polizei sorgen in Berlin und Deutschland nicht zuletzt höchste Standards bei der Qualität der Beamtenausbildung. Wir haben daher allen Grund, unseren Polizeibeamten Vertrauen entgegenzubringen. Pauschalverurteilungen lehnen wir entschieden ab. Wenn es im Einzelfall Missstände gibt, müssen diese selbstverständlich konsequent untersucht und verfolgt werden.

Individuelle Freiheitsrechte, einschließlich Freiheit von institutioneller Diskriminierung müssen bei jedem behördlichen Handeln angemessen berücksichtigt werden. Die dazu in den vergangenen Jahren unternommenen Schritte werden wir fortsetzen. Der Anlass für Identitätsfeststellung durch die Polizei darf nicht allein auf das äußere Erscheinungsbild einer Person zurückgeführt werden. Das Verbot von sogenanntem Racial Profiling wurde von der SPD in Berlin als erstem Bundesland eingeführt. Seit Jahren ist dieses Verbot fester Bestandteil sozialdemokratischer Innenpolitik. Wir wollen das Racial-Profiling-Verbot auch unmissverständlich im Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz Berlin (ASOG) verankern. Praktisch treten wir Racial Profiling mit verbesserter Aus- und Fortbildung und der Abschaffung anlassloser Kontrollen entgegen. Vorfälle wie die Verbreitung rechtsextremer und rassistischer Positionen in Chat-Gruppen nehmen wir sehr ernst. Wir stellen daher unmissverständlich klar: Extremist:innen in Sicherheitsbehörden werden wir konsequent aus dem Dienst entfernen. Wir bauen dabei auf externe Kontrolle und die Wachsamkeit innerhalb der Polizei. Deshalb haben wir ein anonymes Hinweisgeber-System aufgebaut und das Amt einer Extremismusbeauftragten in der Berliner Polizei geschaffen. Aber auch die Reflektion zu alltäglichen Vorurteilen ist für eine funktionierende Polizei sachgerecht. Deshalb bauen wir Supervisions-Möglichkeiten in der Dienstroutine aus. Wir haben zudem eine Studie zu Rassismus in der Polizei auf den Weg gebracht und stellen sicher, dass die Empfehlungen mit ausreichenden Ressourcen umgesetzt werden und werden weiterhin die unabhängige Forschung sicherstellen. Die neue Stelle der/des Polizeibeauftragten bietet erstmals Bürger:innen und Polizist:innen eine Ansprechstation außerhalb der Polizei. Wir werden diese Stelle evaluieren und bei Bedarf personell aufstocken.

Wir wollen die Polizei jünger, weiblicher, diverser sowie diskriminierungskritischer machen. Wir werden daher intensiv um Menschen werben, die bisher in der Polizei keine Berufsperspektive für sich sehen. Wir werden die Kompetenzen in diversitätssensibler Kommunikation stärken, in der Aus- und Fortbildung ebenso wie im Polizeialltag durch Supervision. Diskriminierung, rassistische Tendenzen oder Rechtsextremismus in der Polizei werden wir untersuchen und mit allen Mitteln bekämpfen – sie haben in Berlin keinen Platz. Um strukturellen Problemen begegnen und Veränderung gezielt ermöglichen zu können, wollen wir eine unabhängig konzipierte und durchgeführte Studie zu strukturellem Rassismus, rechtsextremistischen, rassistischen und antisemitischen Einstellung und Racial Profiling in den Berliner Sicherheitsbehörden, angelehnt an den Berlin Monitor. Für die Dauer der kommenden Legislaturperiode wollen wir zudem eine parlamentarische Enquete-Kommission einrichten. Ziel ist, diskriminierende Strukturen in der Berliner Verwaltung und den (Sicherheits-)Behörden proaktiv und systematisch zu erfassen, diese abzubauen und die Verwaltung offener und diverser zu machen. Sachverständige aus der Zivilgesellschaft können dort ihre diskriminierungskritische Expertise einbringen und die vielfältigen Perspektiven potentiell Betroffener sicherstellen.

Mit einem großen Freiheitsrechtestärkungspaket haben wir die größte innenpolitische Reform in Berlin seit Jahrzehnten umgesetzt und eine*n unabhängige*n Polizei- und Bürger*innenbeauftragte*n eingeführt. Das ist ein großer Erfolg. Wir werden die Einrichtung und die Arbeit der Stelle eng begleiten. Mit der Novelle des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes haben wir überdies die Veröffentlichung kriminalitätsbelasteter Orte, an denen ohne Verdacht kontrolliert werden kann, gesetzlich geregelt, genau wie die individuelle Kennzeichnung von Beamt*innen, durch die etwaiges Fehlverhalten von Polizist*innen leichter aufzuklären sein wird.

Zu 1. Die Polizei Berlin ist bereits jetzt die wahrscheinlich diverseste Behörde der Berliner Verwaltung. Bis eine tatsächlich repräsentative Personalstruktur erreicht wird, werden wir weiter gezielt in bestimmten Bevölkerungsgruppen werben, in der Polizei tätig zu werden. Die Ausbildung der Polizei wurde bereits in der laufenden Legislatur dahingehend geändert, dass diskriminierungssensible Ausbildungsanteile angepasst wurden. Die Wirkung dieser Maßnahmen wird erst nach Abschluss der laufenden Ausbildungsjahrgänge erkennbar werden. Daneben hat die Polizei Berlin mehrere Beauftragte für spezifische Diskriminierungsfelder.

Zu 2. Nach Anpassung der Ausbildung und Erweiterung der Bestandteile interkulturelle Kompetenz ist es in der kommenden Legislatur wichtig, gelebte Diskriminierungssensibilität im behördlichen Handeln auch in den praktischen Ausbildungsteilen erfahrbar zu machen.

Zu 3. Ja, dies ist nach § 21 Gesetzes über den Bürger- und Polizeibeauftragten (Bürger- und Polizeibeauftragtengesetz) so vorgesehen.

Wir wollen einen Polizeibeauftragten bzw. eine Polizeibeauftragte als unabhängige Stelle beim Abgeordnetenhaus von Berlin ansiedeln, der bzw. die gleichermaßen für Bürgerinnen und Bürger wie für Polizeikräfte als Anlaufstelle außerhalb des normalen Dienstweges zur Verfügung steht. Diese Stelle soll auch Mediationsverfahren durchführen und die Durchsetzung bestehender Entschädigungsansprüche der Bürgerinnen und Bürger wegen polizeilichen Fehlverhaltens erleichtern. Um das Bewusstsein für den Datenschutz bei der Polizei zu erhöhen, ohne sie unter Generalverdacht zu stellen, sollen nach dem Zufallsprinzip stichprobenartig Zugriffe auf personenbezogene Daten dahingehend überprüft werden, ob sie für die Bearbeitung aktueller Fälle nötig sind („Vier-Augen-Prinzip“).

Damit unsere Polizei auf dem Fundament unserer demokratisch-freiheitlichen Gesellschaft steht, ist es von besonderer Bedeutung, die demokratische, pluralistische und liberale Kultur zu einem festen und ausgeprägten Teil der Ausbildung und Fortbildung zu machen. Extremistische Umtriebe, gleich welchen Ursprungs, haben in unseren Behörden und insbesondere im Sicherheitsapparat keinen Platz und sind konsequent auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse zu unterbinden. Wir wollen die Nachwuchsarbeit der Berliner Polizei verstärken, um Menschen mit unterschiedlichsten persönlichen Hintergründen und politischen Perspektiven zu gewinnen.

Von der AfD haben wir keine Antworten auf unsere Fragen erhalten.