Berlin 2021

Erweiterung des LADG um die Diskriminierungskategorie Gewicht

Über die sechs im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) genannten Diskriminierungskategorien hinaus geben von Diskriminierung Betroffene primär an, dass sie anhand äußerlicher Merkmale Diskriminierung erfahren. In einer vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung beauftragen Studie wurde Gewicht dabei mit einem Anteil von 51 Prozent am häufigsten genannt (Kantar 2019). Gewicht wird in § 2 des Landesantidiskriminierungsgesetzes (LADG) von Berlin nicht aufgeführt. Die dort genannten Kategorien chronische Erkrankung und Behinderung sind nicht geeignet, die Mehrzahl von Diskriminierungen anhand von Gewicht zu erfassen.

Gewichtsdiskriminierung beginnt nah am sogenannten Normalgewicht und damit in einer Gewichtsklasse, die nicht als chronische Erkrankung gilt. In höheren Gewichtsklassen sind gerade diejenigen Kläger:innen ungeschützt, die keinerlei körperliche Einschränkungen haben und damit vor Gericht keine Behinderung geltend machen können. Dies liegt daran, dass selbst das sozio-dynamische Modell von Behinderung eine gesundheitliche Einschränkung erfordert, um überhaupt anwendbar zu sein. Sehr viele dicke Menschen, darunter auch stark hochgewichtige, leiden jedoch unter keinerlei Einschränkung, dafür aber unter einer massiven gesellschaftlichen Stigmatisierung. Es besteht hier also eine Schutzlücke, die mit einer Formulierung geschlossen werden sollte, die das Gewicht – unabhängig vom gesundheitlichen Status – eindeutig als Diskriminierungskategorie benennt.

  1. Werden Sie Gewicht in § 2 LADG aufnehmen und falls ja, mit welcher Formulierung?
Wir setzen uns für Gleichbehandlung ein und wenden uns gegen jede Form der Diskriminierung und Stigmatisierung. Unser Ziel ist und bleibt eine diskriminierungsfreie Gesellschaft. Wir sehen derzeit keinen Handlungsbedarf über die sechs im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) genannten Diskrimnierungskategorien hinaus tätig zu werden.
Ja. Die Berliner SPD tritt jeder Form von Diskriminierung entschieden entgegen. In unserer Gesellschaft ist seit jeher zu beobachten, dass die Akzeptanz unterschiedlicher Körperformen und deren Verfügungs- und Entscheidungsfreiheit umstritten ist. Wir lehnen deshalb jegliche Privilegierung bestimmter Körperideale und körperliche Normierungen ab. Besonders Frauen* und queere* Menschen müssen sich immer wieder Räume für ihren eigenen Körper erstreiten. Oft sind sie Stigmatisierungen und Ausgrenzung ausgesetzt. Dabei steht jedem Menschen das Recht auf ein Leben unabhängig gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu. Jedoch wissen wir, dass dieser Weg noch erkämpft und verteidigt werden muss. Aus diesem Grund wollen wir uns als SPD eingehend mit Gewichtsdiskriminierung auseinandersetzen, es in die SPD sowie in die Gesellschaft tragen und die Gesellschaft dahingehend verändern, dass Diskriminierung aufgrund des Gewichts bekämpft und die Diversität der Körperformen akzeptiert wird. Da bisher Gewichtsdiskriminierung weder in den Berliner Landesgesetzen berücksichtigt wird noch unter keine der im Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) genannten Merkmale vollständig eingliedern lässt, fordern wir hiermit die Aufnahme und Ausweitung der Berliner Landesgesetze auf das Merkmal Gewicht.
Wir haben uns bereits in den zurückliegenden Verhandlungen zum LADG dafür eingesetzt und werden dies auch weiterhin tun, dass Diskriminierung aufgrund des Gewichts im Katalog des Paragraphen 2 des Gesetzes Eingang erhält. Im Zuge der Evaluierung des Gesetzes wird überdies zu prüfen sein, wie dieser darüber hinaus erweitert und geöffnet werden kann.
Zur Erreichung des Ziels aus § 1 LADG erscheint es notwendig, das Gewicht als weiteres Diskriminierungsmerkmal in das Gesetz aufzunehmen. Dabei sind die von Ihnen aufgeführten Probleme in der genauen Formulierung zu berücksichtigen. Möglicherweise ist es auch notwendig (um zukünftig nicht in ähnliche Probleme zu geraten) das Tatbestandsmerkmal offener zu formulieren. Denkbar wäre hier etwas in die Richtung von „körperliche Merkmale ohne Funktionsbeeinträchtigung“ oder ähnliches. Eine konkretere Antwort ist leider erst nach einer ausführlichen Analyse der vorhandenen Erkenntnisse zu Diskriminierung und der dazu bestehenden Rechtslage möglich.
Der Diskriminierung von Menschen aufgrund ihres Gewichts verdient eine stärkere Aufmerksamkeit in der gesellschaftlichen Debatte. Sie birgt die Gefahr psychischer Schäden und der gesellschaftlichen Ausgrenzung der Betroffenen. Deshalb müssen tradierte Schönheitsideale und damit verbundene Vorurteile im Austausch mit der Wissenschaft und (Werbe-)Wirtschaft hinterfragt werden, wenn die Verfassungswirklichkeit der offenen Gesellschaft positiv entwickelt werden soll. Die Meinungsbildung darüber, wie eine Ergänzung des Landesantidiskriminierungsgesetzes dazu einen real wirksamen Beitrag, der die konkrete Lebenssituation Betroffener tatsächlich verbessert, leisten kann, ist in der FDP nicht abgeschlossen. Wir stehen der Diskussion mit Betroffenen und deren Vertretungen ergebnisoffen gegenüber. Dabei wäre auch die angemessene Wortwahl für die ergänzende Formulierung, die die Diskriminierung wegen einer spezifischen körperlichen Disposition adressiert, Beratungsgegenstand.
Von der AfD haben wir keine Antworten auf unsere Fragen erhalten.