Bundestag 2021

Kontingentlösung für Rom:nja aus den Westbalkanstaaten

Die von der Bundesregierung vor einigen Jahren eingeführte Kontingentlösung für Jüd:innen aus der ehemaligen Sowjetunion beinhaltet ein Einwanderungs- und Bleiberecht ohne zahlenmäßige Obergrenze.

  1. Wird sich Ihre Partei für eine solche Kontingentlösung für Rom:nja aus den Westbalkanstaaten einsetzen?
CDU und CSU betrachten die deutschen Sinti und Roma als wertvollen Teil unserer Gesellschaft. Ihre Förderung ist uns ein wichtiges Anliegen. Unter dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl erfolgte die Anerkennung der Sinti und Roma als nationale Minderheit. 2015 wurde unter der unionsgeführten Bundesregierung ein beratender Ausschuss für deutsche Sinti und Roma im Bundesinnenministerium eingerichtet. In dieser Legislaturperiode haben wir eine Expertenkommission zum Thema Antiziganismus eingesetzt, die Handlungsempfehlungen erarbeitet hat. Dieses Engagement wollen wir fortsetzen. Da nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion die dort lebenden Juden einem zunehmenden Antisemitismus ausgesetzt waren, entschlossen sich viele zur Auswanderung. Als Ausdruck der besonderen Verantwortung der Bundesrepublik wurde ihre Einreise bis Ende 2004 durch die analoge Anwendung des Kontingentflüchtlingsgesetzes geregelt. Am 1. Januar 2005 wurde es vom Zuwanderungsgesetz abgelöst. Aufgrund des Charakters dieser Regelung ist ihre Übertragung auf Roma aus den Westbalkanstaaten nicht geplant. Die unionsgeführte Bundesregierung hat aber dafür gesorgt, dass Unternehmen nach einem jährlichen Kontingent bis 2023 Arbeitskräfte aus den Westbalkanstaaten einstellen können.
Zwar eröffnet das Aufenthaltsgesetz den obersten Landesbehörden bzw. dem BMI die Möglichkeit anzuordnen, dass für bestimmte Ausländergruppen aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Aus historischer Verantwortung und weiterer dortiger Verfolgung ist dies geschehen bezüglich der Jüdinnen und Juden aus den ehemaligen Sowjet-Republiken. Diese müssen Deutschkenntnisse, Aufnahme in einer jüdischen Gemeinde sowie eine positive Integrationsprognose nachweisen. Auch gegenüber den Roma tragen wir eine historische Verantwortung, jedoch sind viele Balkanstaaten bereits Mitglied der EU oder zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt. Eine Vergleichbarkeit sehen wir daher aktuell nicht, werden die Lage der Rom*nja in den Westbalkanstaaten aber weiterhin sehr genau beobachten.
Wir werden die Empfehlungen der unabhängigen Expertenkommission Antiziganismus, die die Dringlichkeit der Bekämpfung von antiziganistischen Diskriminierungen und deren fatale Auswirkungen auf alle Lebensbereiche für Sinti*zze und Rom*nja aufzeigt, prüfen und umsetzen. Teil dessen ist sowohl die historische, als auch aktuelle strukturelle und institutionelle Diskriminierung von Sinti*zze und Rom*nja aufzuarbeiten und eine Kontingentregelung zu prüfen. Noch immer werden Rom*nja aus Deutschland abgeschoben, selbst wenn sie seit Jahrzehnten hier leben und in ihren Herkunftsländern diskriminiert werden. Wir GRÜNE lehnen die Einstufung der Westbalkanstaaten als sichere Herkunftsstaaten ab, da diese vor allem von Mehrfachdiskriminierung betroffene Minderheiten im Asylverfahren benachteiligt. Ein Asylantrag muss unvoreingenommen geprüft werden. Die Situation von Rom*nja in ihren Herkunftsländern muss im Asylverfahren und bei der Prüfung asylunabhängiger Bleiberechte stärkere Berücksichtigung finden.
Bereits 2010 haben wir uns für eine Bleiberechtsregelung für Roma aus dem Kosovo eingesetzt (vgl. Drucksache 17/784) und in der Begründung zum Vergleich auf die Aufnahmeregelung für jüdische Kontingentflüchtlinge hingewiesen. Wir fordern in Bezug auf humanitäre Bleiberechtsregelungen stets, dass der Aufenthaltsstatus unabhängig von der Frage der eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts erteilt werden soll. Darüber hinaus haben wir immer wieder gefordert, dass die systematische Ausgrenzung der Roma in den Westbalkanländern in individuellen Asylverfahren angemessen berücksichtigt werden muss, was demnach häufiger zur Anerkennung eines Schutzstatus führen müsste ("kumulative Verfolgung"). Gegen die Einstufung der Westbalkanländer als "sichere Herkunftsstaaten" haben wir uns gerade mit Blick auf die Lage der Roma energisch ausgesprochen.
Wir Freie Demokraten stehen zur EU-Beitrittsperspektive für alle Staaten des Westbalkans. Die Staaten der Region und ihre Gesellschaften sind durch mehrere Generationen von Migranten menschlich und wirtschaftlich eng mit der EU verbunden. Falls diese Staaten die Beitrittsbedingungen erfüllen, könnte Südosteuropa erheblich an Stabilität gewinnen. Die Zusammenarbeit der Staaten des Westbalkans untereinander muss jedoch aus eigenem Interesse und unabhängig von der Frage eines möglichen späteren Beitritts zunächst erheblich vertieft werden. Gleiches gilt für bilaterale Differenzen unter den Beitrittskandidaten oder mit EU-Mitgliedstaaten. Dazu gehört auch, dass die Diskriminierung von Bevölkerungsgruppen nicht nur klar angesprochen wird, sondern Maßnahmen zu deren Beendigung ergriffen werden. Damit verbessern wir die Situation der Roma in ihren Heimatländern.
Bisher hat uns noch keine Antwort der Partei erreicht.